Essen. . Die Industrie- und Handelskammer fordert, die A 42 zwischen Herne, Essen und Bottrop sechsspurig auszubauen. Sie warnt vor einem „Verkehrskollaps“, da der Güterverkehr bis 2025 um 70 Prozent anwachsen werde. Das Verkehrsministerium will den Vorschlag prüfen, warnt aber vor falschen Hoffnungen.
Ist der Emscherschnellweg bei Essen in naher Zukunft nicht mehr in der Lage, den Verkehr im nördlichen Ruhrgebiet auf der Ost-West-Achse zu tragen? Ist die A 42 auf dem besten Weg zum Nadelöhr vor allem für den Güterverkehr? Die Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet jedenfalls sieht diese Gefahr ganz konkret für den bislang zweispurigen Abschnitt zwischen dem Kreuz Herne über das Kreuz Essen-Nord bis zur Anschlussstelle Bottrop-Süd. Sie warnt vor einem „Verkehrskollaps“, da der Güterverkehr bis 2025 um 70 Prozent anwachsen werde.
„Wir müssen jetzt mit den Planungen für einen Ausbau beginnen“, betont Rouven Beeck, IHK-Verkehrsexperte in Bochum. Und auch Joachim Brendel von der IHK Nord-Westfalen regt an, im Rahmen der laufenden Beratungen zum neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 zu prüfen, ob der Abschnitt in den „Vordringlichen Bedarf“ aufgenommen werden kann. Schon jetzt liege die Belastung der A 42 durch den Schwerverkehr höher als auf der A 40.
Vor allem der beabsichtigte Ausbau der A 43 zwischen Recklinghausen/Herten und dem Kreuz Bochum/Witten werde noch mehr Lkw auf die A 42 schaufeln, „das ist dann auf einer vierstreifigen Autobahn nicht mehr abzuwickeln“, meint IHK-Mann Brendel. Bei der IHK Essen, Mülheim, Oberhausen will man sich offiziell noch nicht zum Vorstoß der Kollegen äußern, da die Vollversammlung erst am 21. November das Thema diskutieren werde: „Aber wir hoffen, dass der Beschluss ebenfalls in diese Richtung zielt.“
„Wir landen in der Sackgasse“
Bereits heute jedenfalls wollen die IHK-Vertreter dem Bundesverkehrsministerium die Dringlichkeit dieses Ausbaus vor Ort verdeutlichen: Auf einer Bustour mit dem Berliner Staatssekretär Enak Ferlemann, Vertretern der Bundestagsfraktionen und Landesverkehrsminister Michael Groschek quer durchs Ruhrgebiet soll der A 42-Ausbau angesprochen werden. Für den IHK-Verkehrsfachmann Rouven Beeck steht fest: „Wir reden hier über ein Projekt, das vielleicht erst in einigen Jahren realisiert wird. Aber wenn wir heute nicht anfangen, die Weichen für den Ausbau zu stellen, landen wir mit unserem Wirtschaftsverkehr im Ruhrgebiet in der Sackgasse.“
Das sieht man im Düsseldorfer Verkehrsministerium etwas differenzierter: „Natürlich werden wir den Vorschlag prüfen. Aber wir werden erst einmal die Ergebnisse der Kommission abwarten, die von der Verkehrsminister-Konferenz eingesetzt wurde. Natürlich ist vieles wünschenswert, aber sicher nicht alles realisierbar.“ Das gebe weder die Kassenlage in Berlin noch in Düsseldorf her.
Und auch der Essener SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Landtag, Dieter Hilser, warnt vor falschen Hoffnungen: „Die Linie stellt klar den Straßenerhalt vor den Neubau. Das gilt auf Landes- wie auf Bundesebene. “ Ob da ein A 42-Ausbau wirklich so vordringlich ist? Hilser möchte sich bei dieser Frage nicht festlegen: „Das müsste man sehr genau prüfen.“ Kosten und Nutzen müssten dabei abgewogen werden, auch bei der Umweltverträglichkeit müsse man zu akzeptablen Ergebnissen kommen.
Großer Streit befürchtet
Die Skepsis ist verständlich: Um die A 42 auf den vier, fünf Kilometern auf Essener Stadtgebiet zu verbreitern, müsste man doch eine deutlich breitere Trasse durch Altenessen schlagen. Hier führt die Autobahn als Hochstraße durch zum Teil enge Wohnbebauung. Dass die Bevölkerung, die sich seit Jahrzehnten gegen den A 52-Weiterbau durch den Norden stemmt, dies klaglos akzeptieren würde, darf bezweifelt werden: Der Streit wäre kaum geringer. Preiswert dürfte der Ausbau ebenfalls kaum ausfallen: Am Stadthafen quert die Fahrbahn den Rhein-Herne-Kanal in über zehn Metern Höhe.
Erstaunlicherweise sind es aber eher die 1000 Mammutbäume, die im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projekts „Parkautobahn“ entlang der A 42 gepflanzt wurden, um die sich die Linken sorgen und die dann unter Beton begraben würden. Bei den Millionen-Kosten, die für einen Ausbau zwischen Herne und Bottrop zu veranschlagen wären, dürften das neue Autobahngrün kaum spürbar auf die Rechnung durchschlagen.
Linke bezweifeln Prognose der IHK
Die Linken bezweifeln allerdings auch die Prognose der IHK: „Erst wenn der Ausbau der A 40 abgeschlossen ist, macht es Sinn, die Verkehrsflüsse zu untersuchen“, meint jedenfalls Olaf Jung, Verkehrsexperte der Linken im Regionalverband Ruhr. „Wenn man bedenkt, dass die A 42 den zusätzlichen Verkehr während der A 40-Vollsperrung in Essen aufnehmen konnte, scheint das Nadelöhr A 42 nicht so klein zu sein wie prognostiziert.“
Für die Linke im RVR sei es vielmehr an der Zeit, dass sich die IHK der Probleme annehme, „die viele Einzel- oder Kleinunternehmen mit der Infrastruktur in unserer Region haben und die gar nichts mit Autobahnen zu tun haben“.
Darauf allerdings wird zumindest Staatssekretär Ferlemann in Essen deutlicher hingewiesen: Bei einem Busstopp in Katernberg soll der ÖPNV im Mittelpunkt stehen, einer Studie der Verkehrsunternehmen zufolge fehlen in den nächsten vier Jahren in NRW über eine Milliarde Euro, um das U-Bahnnetz zu modernisieren. Allein der dringende Ersatz für das völlig veralterte Stellwerk im Essener U-Bahnnetz kostet über 30 Millionen Euro, Geld, das weder die Stadt noch die Evag hat. Die Zeit drängt, bald dürfte es für die museumsreife Relais-Technik keine Ersatzteile mehr geben.
Klar ist derzeit nur, dass das Geld für alle Projekte nicht reichen wird. Die Chancen stehen vor diesem Hintergrund nicht gerade gut für den Ausbau der A42.
Die A40-Sperrung von oben