Essen. . Die rechtsextreme NPD hat ihre NRW-Zentrale von Wattenscheid in die Krayer Marienstraße verlegt. Die Politik ist darüber genauso wenig erfreut wie die Polizei. Doch abzuwimmeln ist der neue Zuzügler offenbar kaum.

Wer da in Hausnummer 66a eingezogen ist? Da kann die betagte Dame nur mit den Achseln zucken: Seit 47 Jahren wohnt sie nun in der Marienstraße, eine ruhige Krayer Wohngegend mit altem Häuserbestand nicht weit von der A40, aber viel Kontakt zu den Nachbarn hat sie nicht: Zwei, drei Familien kennt sie näher, das war’s auch schon – „Ich stör’ mich nich so an dem Volk hier...“

Das könnte sich ändern, wenn demnächst die ersten „Nazis raus“-Rufe durch das Viertel gellen, denn die Hinterhof-Immobilie zwischen Marien- und Ernststraße, erreichbar nur durch eine hölzerne Toreinfahrt, dient der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) neuerdings als Landeszentrale. Von hier steuert sie mit einem Häuflein Aktiver eine Politik, die der NRW-Verfassungsschutz mit eindeutigen Begriffen umreißt: „fremdenfeindlich“ und „rassistisch“, „antisemitisch“ und „revisionistisch“, mit klaren Feindbildern und glorifizierenden Ansichten zum Nationalsozialismus.

Das kommt manchmal als braun angehauchter Witz daher, wenn etwa der Landesvorsitzende Claus Cremer verlauten lässt, beim Fußballspiel BRD gegen Österreich könne „...man doch nicht von Länderspiel sprechen. Für sowas muß doch noch mindestens ein anderes Land bei sein...“. Und lässt einen manchmal frösteln, wenn unverblümt und aggressiv gegen Ausländer gehetzt wird. Von der NPD-Rhetorik , so viel scheint klar, ist es nicht gar so weit bis zur Zwickauer Terrorzelle, egal, ob am Ende das Verbot der Partei steht.

Kein Wunder, dass die hiesige Politik prompt in Alarmbereitschaft versetzt war, als die Antifa-Bewegung per Rundmail den eher konspirativ organisierten Einzug der NPD in das Krayer Hinterhof-Haus vermeldete: Die CDU-Chef erklärte die „antidemokratischen und verfassungsfeindlichen“ Zuzügler für „unerwünscht“, die SPD erkannte „eine einzige Provokation“ und die Grünen betonten, „dass es in unserer weltoffenen Stadt keinen Platz für die NPD und ihre rassistische Ideologie gibt“.

Der Partei Paroli bieten, den Zuzug nur zum Gastspiel machen, mit dem Eigentümer über eine Kündigung reden – die Politik war dabei mit forschen Formulierungen schnell bei der Hand. Und die NPD auf solchen Widerstand offensichtlich vorbereitet, wie Landessprecher Markus Pohl der NRZ sagte: Klar haben wir damit gerechnet.“

Keine gute Nachricht für die Essener Polizei

Laut Pohl ist die NPD nur Mieter im Haus, Eigentümer ein Verein mit Sitz in Münster. Hinweise darauf, dass dieser im NPD- Umfeld zu finden ist, mag er offiziell nicht bestätigen. Dass man sich stiekum einmietete, nicht mal ein Briefkastenschild oder eine Klingel vorweisen kann, erklärt der NPD-Mann damit, dass die Renovierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen sein. Unterm Strich steht für ihn, dass man gekommen ist, um zu bleiben.

Keine gute Nachricht für Ulrich Faßbender, den Sprecher der Essener Polizei. „Wir sind nicht erfreut darüber“, so kommentiert die Behörde den Zuzug der NPD, die man als „geistige Brandstifter“ ausgemacht hat. Der polizeiliche Staatsschutz ist auf der Hut, der Verfassungsschutz im Bilde – man wird beobachten, Erkenntnisse sammeln. Rein zahlenmäßig gilt die NPD in Essen nicht gerade als Hochburg: Von den geschätzten 700 Mitgliedern landesweit, bildeten etwa 20 den harten Kern in der Stadt, unterstützt oft von auswärtigen Parteigängern. Auch rechtsextreme Kameradschaften spielten nach Ansicht des polizeilichen Staatsschutzes hier „keine große Rolle“.

Für die Polizei in Wattenscheid wo die NPD nach gut drei Jahrzehnten ihr angestammtes Domizil im Zuge einer Zwangsversteigerung räumen musste, waren die Rechtsextremen zuletzt kein großes Thema: Ein paar Farbschmierereien, das war’s. Ob das in Essen auch so betulich bleibt?

Manche Nachbarn sind jetzt schon genervt und mehr als das: „Ich bin fix und fertig“, sagt eine ältere Frau am Telefon, der die Heimlichtuerei ihrer neuen Nachbarn, die mit Plastikfolie verhängten Fenster spanisch vorkamen. Sie hat darum einen der Bauarbeiter gefragt, der den Eindruck machte, als habe er mit den Neuen was zu tun: „Da werden doch hoffentlich keine Terroristen einziehen?“ War als Scherz gemeint. Und die Antwort kam mit treuem Augenaufschlag: „Wir sind nicht von dieser Sorte.“

Protestdemo gegen die NPD geplant

Die Essener Antifa ruft im Internet bereits für Samstag, 22. September, zu einer Demo gegen die NPD auf. Treffpunkt ist um 13 Uhr der Kaiser-Otto-Platz; die Demo soll bis zur NPD-Landeszentrale in der Marienstraße führen. Ob die Polizei diesen Kundgebungsweg akzeptiert, erweist sich nach den Kooperationsgesprächen mit den Veranstaltern in der kommenden Woche.