Essen. Seit über zwanzig Jahren residierte der NRW-Landesverband der NPD in Bochum-Wattenscheid. Doch weil ein neuer Vermieter die Rechten dort vor die Tür setzte, sind sie umgezogen: nach Essen-Kray. Bürger und Politiker sind entsetzt über die ungebetenen Nachbarn.

Die Marienstraße in Kray ist eine ruhige Wohnstraße mit vielen schönen Altbauten. Mit der Ruhe aber könnte es bald vorbei sein. Denn wie die Antifa Essen gestern mit Verweis auf das Internetportal „NRW rechtsaußen“ öffentlich machte, hat die rechtsextreme NPD in einem Hinterhofgebäude ihre neue Landeszentrale bezogen, und das offenbar schon vor Wochen. Nun sind Empörung und Entsetzen groß.

Seit den 80er Jahren residierte die NPD in Bochum-Wattenscheid , was Linke in schöner Regelmäßigkeit zum Anlass für Demonstrationen nahmen. Als der runtergekommene Altbau mit vernagelten Türen und Glasbausteinen statt Fenstern im Erdgeschoss zwangsversteigert wurde, griff eine Essener Immobilienfirma zu und setzte die unerwünschten braunen Mieter umgehend vor die Tür, mit Frist zum 30. Juni.

An der Marienstraße 66a haben die Rechten sich allem Anschein nach heimlich und leise neu eingerichtet. Von außen betrachtet, deutet nichts darauf hin, dass die politischen Brandstifter nun von hier aus zündeln. Der Backsteinbau im Hinterhof eines schmucken Mehrfamilienhauses mit Jugendstilfassade ist von der Straße aus nicht einsehbar. Der Zugang - eine Hofeinfahrt - ist durch ein Tor verschlossen. Weder an Briefkästen noch an den Türklingeln finden sich Namen oder sonst irgendein Hinweis, nicht einmal eine Hausnummer gibt es. Die NPD macht sich unsichtbar. Der Verfassungsschutz bestätigt indes, dass die Partei ihren Sitz von Wattenscheid nach Kray verlegt hat, lässt die Polizei wissen.

Rätselraten über den Vermieter der NPD

Als völlig unauffällig beschreibt ein Nachbar jene Leute, die vor etwa zwei Monaten zum ersten Mal aufgetaucht seien. Mehr will er nicht sagen. Nur soviel: Dass sie von der NPD seien, habe er erst erfahren, als sich gestern plötzlich neben Medienvertreter auch die Polizei für das Gebäude und seine Nutzer interessiert habe. Froh machten ihn die neuen Nachbarn nicht.

Mit dieser Gemütslage steht der Anwohner nicht alleine da. Arnold Kraemer zeigte sich erschüttert, als ihn die Nachricht erreichte. „Die haben sich hier heimlich eingerichtet“, ereifert sich der Bezirksbürgermeister. „Ich finde es unerhört, dass das keiner gemerkt hat.“ Wie das sein könne, will Kraemer nun möglichst schnell herausfinden. Irgendwer müsse den Rechtsradikalen das Haus ja überlassen haben. Er hoffe, dass die Krayer sehr schnell deutlich machen, was sie von den neuen Nachbarn halten.

Bürgermeister will sich "mit allen Mitteln" gegen NPD-Geschäftsstelle wehren

Vertreter der demokratischen Parteien geben ihrer Empörung bereits Ausdruck. Es mache ihn fassungslos, so Essens SPD-Vorsitzender Dieter Hilser, „dass sich quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit eine rechtsextremistische Partei hier mitten unter uns ihren Sitz nimmt.“ Für die Krayer Ratsherrn Frank Müller und Manfred Tepperis haben Kray und die Stadt Essen „keinen Platz für Rechtsextremisten und ihre menschenverachtende Politik“. Auch Bürgermeister Franz-Josef Britz, CDU-Chef und Ratsherr aus Kray, erklärt die NPD für unerwünscht und kündigt an: „Wir werden uns mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, gegen eine Landesgeschäftsstelle in Essen wehren.“

Was dabei rauskommt, bleibt abzuwarten. Auch in Bochum war die NPD nicht willkommen. Die Grünen-Abgeordneten Kai Gehring und Mehrdad Mostofizadeh forderten gestern den Vermieter des Hauses auf, der Partei unverzüglich zu kündigen. Möglicherweise habe die NPD das Haus an der Marienstraße aber gar nicht gemietet, sondern gleich gekauft, so Bezirksbürgermeister Arnold Kraemer.

Die NPD soll in Essen einen sehr aktiven Kreisverband haben

Warum die NRW-NPD sich Kray ausgeguckt hat, darüber kann Kraemer nach eigenen Worten nur rätseln. Erst im Frühjahr sorgte die rechtspopulistische Partei Pro NRW für Schlagzeilen mit einer Demonstration vor der Moschee am Heinrich-Sense-Weg.

Für die Antifa hat sich die NPD nicht zufällig für Essen entschieden. Die Partei könne hier mittlerweile auf gefestigte Strukturen zurückgreifen. Der Kreisverband sei aktiv und personell so gut aufgestellt wie kaum ein anderer in NRW.