Essen. . Besucher entdecken beim „Art Walk“ eher zögernd das Essener Nordviertel. Kulturschaffende und Ladenbesitzer sind froh, dass sich im Quartier überhaupt was bewegt.
Der Bass wummert so intensiv, dass die ganze Viehofer Straße bebt. Vier schwarzgekleidete Gestalten bewegen sich zuckend zum Beat, umringt von einem Pulk Gleichgesinnter. Ab und an bleiben Neugierige stehen, um der Industrial Tanz-Performance der Cyber-Gothics vor dem „Leo Store“ zuzusehen. Anlass für das Spektakel ist der „Art Walk“, der an diesem Wochenende durch das Nordviertel führt.
„Es wird Zeit, dass sich hier was ändert“, sagt Rainer Götz, Inhaber des „Leo Stores“. Viele Szene-Läden, die der Subkultur zuzuordnen seien, gäbe es bereits, „was fehlt, ist die Vernetzung“. Nicht schicker, nicht teurer soll das Viertel werden, „es soll einfach ins Bewusstsein der Essener rücken, dass es hier viel kreative Energie zu entdecken gibt.“
Dem Tattoo-Künstler über die Schulter schauen
21 Stationen hat der „Art Walk“, einer der spannendsten ist das Tattoostudio „Art Faktors“. Gerade lässt sich Thorsten Kästel von Tattoo-Designer Milovan Radonjic ein Kunstwerk auf den Unterschenkel tätowieren. Stefanie Müller schaut fasziniert zu. Die 35-Jährige nimmt die Aktion zum Anlass und traut sich in eine Welt, „die mir eigentlich sehr fremd ist, die ich aber immer kennenlernen wollte.“ Besser kann man eigentlich nicht ausdrücken, was das Ziel der Initiatoren des „Art Walks“ ist: Türen öffnen, Vorurteile abbauen. „Das ist toll zu sehen, das hier auf einmal Leute reinkommen, die sich wahrscheinlich nie in ihrem Leben ein Tattoo stechen lassen würden“, sagt „Art Faktor“-Mitarbeiterin Nadine Pannek.
Art Walk
Wer beim „Art Walk“ Menschenmassen erwartet hat, wurde allerdings enttäuscht. Nur vereinzelt flanieren Paare oder Familien über die Viehofer- und Rottstraße, suchen, ausgerüstet mit dem Straßenplan, gezielt die Standorte auf.
Paul-Thomas Deist schaut sich gerade in der City-Messehalle die temporäre Ausstellung verschiedener lokaler Künstler an. „Mir geht es wie vielen: Ich meide eher die nördliche City“, sagt er. Genau deswegen fände er die Aktion nicht nur spannend, sondern auch notwendig. „Hoffentlich bleibt das keine Eintagsfliege.“
Einige angekündigte Acts wie „Essen unplugged“ sucht man vergeblich: Von Live-Lesungen, Poetry-Slam und Straßenmusik auf der „Viehofer“ ist nicht viel zu sehen oder zu hören. Einzig auf der Bühne vor dem Unperfekthaus gibt es einige Kostproben Theaterschaffender.
Von der ersten Auflage des „Art Walk“ nicht zu viel verlangen
„Wir haben ein Straßenfest erwartet und sind jetzt total enttäuscht“, sagen Markus und Alexandra Dölz. Gerade mal drei müde Musiker hätten sie gesichtet, „ansonsten sieht es hier aus wie immer“. Als Anwohner des Nordviertels befürworten sie jede Initiative, „die diesen Stadtteil nach vorne bringt“. Vielleicht darf man von der ersten Auflage des „Art Walk“ nicht zu viel verlangen. Manches ist verbesserungswürdig, wie die Kennzeichnung der Standorte: Eher unauffällig prangt das gelbe Logo an den Fensterscheiben der meisten Quartiere. Einladend wirkt das nicht. Kein Grund für Sabine Peters von der Ladengemeinschaft im Mehrgenerationenhaus an dem Konzept zu zweifeln: „Auch wenn manches verbesserungswürdig ist: Ich bin froh, dass sich im Nordviertel überhaupt was tut“, sagt die Mode-Designerin.