Essen. . Als das Berliner Bürokratie-Monster „Bildungs- und Teilhabepaket“ (BuT) sein wahres Alltags-Gesicht zeigte, hat es nicht nur Eltern, sondern offenbar auch Lehrer gehörig verunsichert. In diesem Jahr soll alles anders und besser werden, verspricht die Stadt Essen.
Es war ein verbreitetes Missverständnis mit einer verheerenden Folge, wie sich jetzt zeigt: Das eigentliche Herzstück des BuT fand sich nie am Puls der Zeit wieder, sondern griff erst, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen war – eben zu spät.
Die Lernförderung landete unter ferner liefen in der Wahrnehmung der Eltern von rund 40.000 anspruchsberechtigten Kindern. Kein Wunder also, dass die Bilanz nach einem Jahr mehr als ernüchternd ausfiel: Als beim Jobcenter bereits 16.000 Anträge auf Zuschüsse für Mittagessen gelandet waren, wurden Hausaufgaben-Betreuung, Nachhilfe oder die Vorbereitung auf Nachprüfungen nur 3000 Mal nachgefragt.
Gerade einmal 2,8 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr ausgegeben, damit dem Nachwuchs das zuteil wurde, worauf er gesetzlichen Anspruch hat – wobei der Großteil des Geldes für Verpflegung, die Teilhabe an Sport und Kultur sowie Ausflüge und Klassenfahrten bezahlt wurden.
Förderung soll deutlich erhöht werden
In diesem Jahr soll alles besser und die Bildung leichter gemacht werden, verspricht die Stadt: 2012 wurden bereits 4,5 Millionen für alle „BuT“-Pakete ausgegeben, und das gesetzlich verordnete Verwirrspiel findet ebenfalls ein Ende, verspricht Bildungsdezernent Peter Renzel: Nachdem der Formularwust – ein Schriftstück für jede der sechs unterschiedlichen Leistungen – bereits durch einen Globalantrag ersetzt wurde (die NRZ berichtete), hat das Land nun unter anderem auch auf Wunsch der Stadt Essen über die Ferienzeit nachgesessen und seine Richtlinien verändert.
Nicht nur streng fachbezogene Nachhilfe könne gefördert werden, sondern auch Angebote, die Strategien für eigenständiges Lernen und soziale Kompetenzen fördern. Oder auch Hausaufgabenbetreuung sind über das BuT zu finanzieren, hat das Ministerium seinen Lehrern im Land mitgeteilt, während die Stadt Essen ein Antrags-Formular entwickelte, das den Aufwand für Lehrer, die die Bedarfe ihrer Schüler schriftlich bestätigen müssen, möglichst klein hält.
Drei Kreuze sollen alles klären
„Drei Kreuze klären jetzt alles“, sagt Regine Möllenbeck, Leiterin des Bildungsbüros der Stadt: „Und dann wird erstattet, was notwendig ist.“ Je nach Alter des Kindes sind das bis zu sechs Stunden in der Woche, jeweils drei für zwei Unterrichtsfächer. Schulinterne aber auch externe Angebote von kommerziellen Anbietern können gegen entsprechende Nachweise genutzt werden. „Es gilt die Wahlfreiheit der Eltern“, sagt Renzel.
Heute sollen die 77 Schulsozialarbeiter, die die BuT-Leistungen zu den Kindern bringen, die Schulen, Beratungsstellen und die sozialen Dienste in den Stadtteilen über die Neuerungen informiert werden. Dann, so hofft nicht nur Lothar Stilleke vom Jobcenter, wird die Zahl der Anträge merklich anziehen: „Wir rechnen mit 35 Prozent mehr in diesem Jahr. 35.000 werden’s am Ende wohl werden.“
Obwohl die Stadt nicht genau sagen kann, wie viele der grundsätzlich anspruchsberechtigten Kinder in Essen für die Leistungen der Lernförderung angemeldet werden, sehen sich die Bildungsexperten der Stadt gut aufgestellt, was das Angebot angeht: „Wir haben in Essen ein großes Netz von freien Trägern, die mit den Schulen zusammenarbeiten“, sagt Möllenbeck. Es sei gewährleistet, dass alle Angebote schulnah stattfinden können, wenn die Eltern es wünschen: „Wir brauchen den bestmöglichen Schulabschluss fürs Kind“, sagt Möllenbeck. „Und wir können alle Bedarfe decken“, glaubt Renzel.
350 Schüler ohne Abschluss
Bis dahin haben die Mitarbeiter des Jobcenters weiterhin jede Menge Mehrarbeit und auch Überstunden vor der Brust: Zumal immer noch 5600 zusätzliche „Alt“-Anträge auf Halde liegen. Die aber sollen bis zum Jahresende abgearbeitet sein, verspricht Renzel, der sich inzwischen sicher ist: „So eine strukturell abgesicherte Lernförderung hat es noch nie gegeben.“ Die allerdings scheint auch bitter nötig zu sein: 350 Essener Jugendliche verlassen die Schule ohne einen Abschluss – Jahr für Jahr.