Essen. Die Limbecker Straße in der Essener City verliert in schneller Geschwindigkeit ihr Billig-Image. Gleichzeitig keimt bei einigen Essenern weiter die Sorge, dass die Kettwiger Straße zur Nippes-Meile verkommt.
Wenn man mit der Firma Seidensticker in Bielefeld telefoniert, traut man seinen Ohren kaum. Eine Sprecherin schwärmt von „besten 1A-Lagen“ und „hochfrequenten“ Fußgängerzonen, es gehe um „Deutschlands größten Flagship-Store“, der in Kürze in Essen eröffnet, und später, heißt es, sei Wien an der Reihe mit einer weiteren Neueröffnung.
Wann ist, Innenstadt-Belange betreffend, Essen zuletzt mit Wien in einem Atemzug genannt worden? Damit das klar ist: Wir reden hier von der Limbecker Straße. Ins Haus Nummer 62, das ziemlich auf mittlerer Höhe liegt, zieht Mitte September Seidensticker ein. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als Europas größter Hemden-Hersteller. Mit dem geplanten Geschäft wolle man „ein besonderes Zeichen setzen“.
Die Seidensticker-Ansiedlung ist ein weiteres Zeichen dafür, dass erstmals wieder vermehrt Qualität in die Essener City einzieht, die durchaus ihren Preis hat: „Schiesser“, die Unterwäschen-Firma, ist auch schon da auf der Limbecker, und ganz oben, neben „Sport Scheck“, hat am 10. August der Spielwarenhersteller Lego ein eigenes Geschäft eröffnet.
Dort gibt es nicht nur die übliche Kaufhaus-Ware, sondern auch seltene Serien – zum Beispiel „Lego Architecture“, mit dem man berühmte Gebäude der Welt nachbauen kann. Es gibt auch lose Steine und Platten zu kaufen, die große gemischte Tüte Steine für 15,90 Euro; superbillig ist das nicht. „Exklusive Produkte und einladende Atmosphäre“ sollten die Fans anziehen, heißt es bei Lego. Lego hat schon ein solches Geschäft im Centro Oberhausen, aber: „Die Gegebenheiten in Essen sind anders“, heißt es wenig aussagekräftig. Gegenüber vom neuen „Lego“-Laden gibt es jetzt nur noch einen Leerstand auf der Limbecker Straße, es ist der letzte.
TK Maxx mit Markenware
Dort war mal „Depot“, das mit seinem Mix aus Kerzen, Bilderrahmen und Saison-Deko das Bild der Limbecker Straße mitbestimmte,. Solche Läden gab es vielfach, gibt es immer noch: Schuh-Lagerverkauf, zwei Euro T-Shirts, und zur Jahreswende ging dann auch noch „Müller“, das Drogerie- und CD-Geschäft. Dort ist mit „TK Maxx“ zwar ein weiterer Billig-Textiler eingezogen, aber erstens: Immerhin mit Markenware, runtergesetzt. Und zweitens mit einer optisch ansprechenden Inneneinrichtung. Heißt: Es werden nicht einfach Schuhkartons aufeinander gestapelt oder mobile Kleiderständer in den leeren Laden gestellt. Hat man ja alles schon gesehen hier auf der Limbecker Straße.
Limbecker Platz geflutet
Das „Depot“ übrigens ist nicht verschwunden. Sondern zieht nur um: Am 25. Oktober wird neu eröffnet – auf der Kettwiger Straße, im alten „Wormland“-Haus. Manche werten das als Indiz, dass sich durch den Bau des Einkaufscenters „Limbecker Platz“ die Verhältnisse in der City quasi umkehren: Die Kettwiger verkommt zur Nippes-Meile, und interessante Geschäfte gibt’s erst wieder auf der Limbecker Straße.
Einige Leerstände auf der Kettwiger Straße
Was für diese These spricht: Gegenüber vom künftigen „Depot“ stehen zwei Läden leer, nicht erst seit einigen Tagen. Und die „Wurst-Kate“ in der Kapuzinergasse zwischen Glockenspiel und Theater-Passage: Sang- und klanglos verschwunden. Währenddessen hofft man übrigens am Ostrand der Stadt auf die Wende: In die Rathaus Galerie (früher City Center) zieht, wie berichtet, Sportwarenhändler Decathlon ein. Das soll weitere Abwärts-Tendenzen stoppen, die dem Center seit dem Weggang von Saturn erkennbar zugesetzt haben. „Decathlon“ startet am 27. September.
Auch für die Kettwiger muss man allerdings nicht zwingend schwarz malen, zumindest im Haus am Kettwiger Tor scheint, wenn alles gut geht, sogar eine Qualitätsverbesserung drin. Der markante Komplex gegenüber von Ansons wird derzeit aniert, und neben den zurückkehrenden Alt-Mietern wie Wolsdorf und Hallhuber soll auch ein durchaus renommiertes Schuhgeschäft hier ansässig werden. Eine Bestätigung dafür gab es vom Eigentümer, der „Griese Treuhand“, allerdings noch nicht.
Unklar scheint noch die Zukunft des Baedekerhauses. Die Nationalbank als Eigentümerin hüllt sich weiterhin in Schweigen, welches Unternehmen der Thalia-Buchhandlung nachfolgt, die im Herbst schließt. Zweifellos handelt es sich um eine Schlüssellage auf der Kettwiger Straße. Spekuliert worden war zuletzt über den Nachbarn P&C. Der Textiler soll an der Nutzung des Baedekerhauses Interesse haben - allerdings nur im Erdgeschoss.