Essen. In elf Etappen ging es für eine Truppe ehrgeiziger Hobbyradler von Essen bis ins südfranzösische Cassis. Linken-Politiker Hans-Jürgen Zierus war mit seinen 65 Jahren der älteste Teilnehmer im Feld.
Als kommunalpolitisch engagierter Mensch ist man es gewohnt, einen langen Atem beweisen zu müssen. Insofern ist Hans-Jürgen Zierus, der als sachkundiger Bürger für die Linken im Essener Umweltausschuss sitzt, vielleicht genau der Richtige für diese Ochsentour: Rund 1700 Kilometer ging es für ihn und elf weitere passionierte Radler jüngst von Essen nach Cassis bei Marseille, und das binnen zehn Tagen.
Alles andere als eine Spazierfahrt also, zumal die Steigungen in den Alpen mit denen rund um den Baldeneysee bekanntermaßen wenig gemein haben. Etwa 17.000 Höhenmeter überwand die Truppe, die sich unter anderem dem Col d’Iseran stellte, dem höchsten befahrbaren Gebirgspass der Alpen.
„40 Kilometer ging’s nur bergauf“, sagt Zierus, der mit seinen 65 Jahren der älteste Teilnehmer im Feld war. Er ist einer von fünf Essener Fahrradfreunden, die regelmäßig gemeinsam trainieren und zudem jedes Jahr eine anspruchsvolle Etappentour machen. Zum Essener Kern-Quintett kamen Freunde und Bekannte aus dem ganzen Ruhrgebiet.
VW Bus als "Begleitfahrzeug"
Etappentour – das klingt professionell, das klingt nach Tour de France, und wer den Extrem-Ausflüglern auf ihrem Weg begegnet wäre, dem hätte sich tatsächlich ein entsprechendes Bild geboten. Als „Begleitfahrzeug“ diente in diesem Fall ein VW Bus, der das Gepäck transportierte und einen Großteil der Sportler nach Ende der Tour wieder zurück in die Heimat brachte.
Auch taktisch gingen die Hobbyradler ziemlich gekonnt ans Werk – da sei man auch schon mal den „Belgischen Kreisel“ gefahren, erzählt Zierus. Belgischer Kreisel? „Eine Kräfte-, Wind- und Geschwindigkeitstaktik mit ständigem Wechsel.“ Angewandt werde die Gruppenformation überall, wo es flach sei. „Im Berg“, so Zierus, „fährt dagegen jeder für sich allein. Aber unten und oben wird gewartet.“
Von Essen nach Cassis - ein Armbruch und zwei Comebacks
Man muss wahrscheinlich wirklich für den Radsport brennen, um in diesem Zusammenhang von Urlaub zu sprechen. Erholsam sei es durchaus gewesen, betont Zierus – auch, weil die Rahmenbedingungen stimmten. „Wir hatten die ganze Zeit Bombenwetter, jeden Tag über 30 Grad.“ Und so ein Abend in Chamonix am Fuße des Mont Blanc als Belohnung am Ende eines kräftezehrenden Tages, das sei schon was Feines. Als Unterkünfte dienten den Radreisenden aus dem Revier Jugendherbergen und Naturfreundehäuser.
Und nach Ankunft im südfranzösischen Cassis gönnten sich die Super-Radler gar einmal das, was andere unter Urlaub verstehen: einen Tag am Strand. Dass der auch noch mit dem französischen Nationalfeiertag zusammenfiel, den die Franzosen wie üblich mit Feuerwerk und Fanfaren feierten – wer hätte ein besseres Drehbuch für diese Tour de France stricken können?
Freilich: Nicht alles lässt sich planen, und wie das meistens ist bei Gruppenausflügen, zumal einem sportlichen wie diesem: Ausfälle gab es auch. Einer der Teilnehmer brach sich den Arm und musste die Segel streichen, so dass nur elf Radler das Ziel erreichten. Ein Magen-Darm-Infekt legte zwei weitere Mitreisende vorübergehend lahm.
„Die sind aber nach wenigen Tagen wieder eingestiegen“, sagt Zierus anerkennend. Der Vertreter der Linken, der auch in der Essener Heimat alle Wege mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, wünscht sich übrigens Nachahmer – nicht unbedingt für den Härtetest in den Alpen, aber für den verstärkten Zweirad-Einsatz vor der eigenen Haustür. „Ich möchte auch ein Stück weit Vorbild sein.“