Essen. . Daniel Raifura mordet für sein Leben gern. Zumindest auf dem Papier. Der neueste Roman des Schriftstellers - “Seelenstille“ - ist jetzt erschienen. Darin lässt er sein vorerst letztes Mordopfer auf dem Dach der NRZ-Redaktion in Essen zu Tode kommen. Warum? Das erzählt der Autor hier.

Es ist kurz nach Mitternacht. Vollmondlicht scheint aufs beschauliche Borbeck. Der Ruf einer Eule ist ne­ben dem Rascheln der Bäume zu vernehmen. Daniel Raifura schläft tief und fest in seinem Bett. Doch dann – wie vom Blitz getroffen – springt der junge Mann plötzlich auf, eilt durchs Haus zu seinem Schreibtisch. Um zu morden. Und das zum wiederholten Mal.

Daniel Raifura ist Schriftsteller, schreibt Romane, Thriller. Und mordet für sein Leben gerne – auf dem Papier versteht sich. In seinem dritten und neusten Roman, der vor wenigen Tagen erschienen ist, macht er sogar vor der NRZ keinen Halt. Und lässt sein vorerst letztes Mordopfer auf dem Dach der Redaktion an der Friedrichstraße ein frühes Ende finden, über dem Büro des Chefredakteurs – „der Schauplatz für das bombastische Ende“, betont Raifura. Warum ausgerechnet dort ein Mensch sterben muss, verrät Raifura – natürlich – im Gespräch mit der NRZ.

Polizisten als Mordopfer

Ein ermordeter Priester, ein erschlagener Rentner, eine fast zu Tode geprügelte Frau und eine nicht zu identifizierende Leiche. Alle vier Taten stehen augenscheinlich in keinem Zusammenhang. „Nur eines ist gewiss: Es wird weitere Opfer geben, denn er wartet, um Rache zu nehmen, todbringende Rache“, sagt Raifura, der mit „Seelenstille – das Haus der Ratten“ seinen dritten Kriminalroman vollendete.

In ihm tappen die Kommissare Driessler und Jäger der Essener Mordkommission völlig im Dunkeln. Und fragen sich: Wie sollen wir einen Täter schnappen und ein für alle Male zur Strecke bringen, der sich scheinbar in Luft auflösen kann? Die Kommissare wissen, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt, bis sie selbst zu seinen Opfern werden. Denn wer Romanschreiber Raifura kennt, weiß ganz genau: Er macht selbst vor Polizisten nicht halt.

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Und er mag’s unkonventionell. Als der Schriftsteller Jahrgang 1979 vor ziemlich genau einem Jahr in der Redaktion zu Besuch war, um seinen zweiten Serienmörderroman „Blutsee“ vorzustellen, ging es fürs obligatorische Foto hoch hinaus – auf das Dach der Redaktion. „Die Fotos sind wirklich großartig geworden“, wird er später in der Danksagung auf Seite 178 schreiben. "Zu diesem Zeitpunkt tüftelte ich an dem großen Ende von Seelenstille. Wie wir auf dem Dach stehen und die Fotos geschossen haben, blicke ich mich um – und plötzlich war das Ende da“, schreibt er weiter.

Die Kindernotaufnahme als Inspiration 

Es sollte genau auf diesem Dach entstehen, mit Blick auf die B 224, den Schlot der Aluminiumhütte und die Konzernzentrale von Thyssen-Krupp. „Es blieb mir quasi keine andere Wahl“, sagt Raifura und zeigt auf jene Stelle im Buch, in der Kommissar Driessler seinen großen Auftritt hat: „Als er und sein Team an der Friedrichstraße, Ecke Sachsenstraße angekommen waren, ließ er seinen Blick am Gebäude empor wandern. Fast alle Fenster waren dunkel, nur hier und da war ein Fenster beleuchtet. Als sein Blick an der obersten Spitze angekommen war, in der sich der Konferenzraum der Chefredaktion befand, sah er es...“

Wer in der obersten Etage sein Ende finden soll, ob es womöglich ein Journalist ist oder doch jemand ganz anderes, verrät Raifura nicht. „Sonst würde die schöne Dramatik verloren gehen; das will niemand“, meint der Autor, der neben seinem Schriftstellerdasein einer weiteren aufregenden Tätigkeit nachgeht: Raifura arbeitet als Sozialarbeiter in einem Kindernotaufnahmeheim, ebenfalls ein Hort für zahlreiche mörderische Ideen. Manche haben es sogar in seinen neuesten Roman geschafft.