Essen. . Die Universitätskliniken in Essen erhalten ein Abwehrzentrum gegen mögliche terroristische oder kriminelle Angriffe mit tödlichen Krankheitserregern. Die Entscheidung ist in dieser Woche gefallen. Experten werden in Essen mit Spezial-Geräten rund um die Uhr in Bereitschaft stehen.
Milzbrand. Pest. Die Pocken. Schon die Begriffe machen Angst. Trifft Deutschland ausreichend Vorsorge, um einen verbrecherischen Einsatz gefährlicher Bakterien und Viren zu entdecken oder zu unterbinden? Essens Uni-Kliniken werden ein Abwehrzentrum gegen mögliche terroristische oder kriminelle Angriffe mit tödlichen Krankheitserregern erhalten. Dazu stationieren die Länder und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in den Kliniken eine „Task Force Biologie“ mit Speziallabors.
Die Entscheidung für Essen sowie für ein weiteres Zentrum im bundeseigenen Robert-Koch-Institut in Berlin ist in dieser Woche nach einem langen Auswahlprozess gefallen. An beiden Standorten soll das neue Abwehrkonzept getestet werden. Möglicherweise folgt dann, über das Bundesgebiet verteilt, die Einrichtung weiterer Labors.
Experten rund um die Uhr in Bereitschaft
Experten werden in Essen mit HighTech-Geräten rund um die Uhr in Bereitschaft stehen, um bei verdächtigen Erkrankungen, aber auch schon beim Fund verdächtiger Stoffe wie dem bekannten „weißen Pulver“ Proben zu entnehmen und erste Analysen vorzunehmen. Sie sollen überdies Gegenmaßnahmen entwickeln, die über Dekontaminierung bis zur Evakuierung ganzer Regionen reichen. Die Essener Berufsfeuerwehr wird die Transporte der gefährlichen Stoffe übernehmen.
Auch interessant
Eine letzte große Welle von Bioterror-Alarm gab es nach den Anschlägen des 11. September 2001. „Damals mussten die Deutschland rund 5000 Proben in Labors analysiert werden“, sagt Karin Braun vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Alle vermeintlichen Anschläge in der Bundesrepublik haben sich zwar als üble Scherze mit Backpulver, Kalk oder Puderzucker entpuppt. Der Versand von Milzbrand-Bakterien in Briefen hatte in den Vereinigten Staaten aber zu fünf Todesfällen geführt und eine Massenpanik ausgelöst. 32 000 Menschen wurden dort prophylaktisch mit Antibiotika behandelt. Die Hintergründe der Taten wurden nie aufgeklärt.
Das Problem: Deutschland ist auf eine groß angelegte Attacke oder einem Erpressungsversuch mit Keimen oder Erregern nicht genügend vorbereitet. Derzeit gebe es „in Situationen wie dem klassischen Auffinden weißer Pulver keine Möglichkeit eines direkten Nachweises für biologische Agenzien vor Ort“, so Braun, „ein Nachweis dauert in der Regel 48 Stunden“. Ziel der Task Force sei es also, „das Zeitfenster bis zum Einleiten von Maßnahmen zu verkürzen“.
Was sind biologische Waffen?
Wie groß ist die Gefahr? Experten sprechen vom „dreckigen Dutzend“ von Substanzen, die sich als Biowaffen eignen. Dazu zählen unter anderem die Bakterien von Milzbrand und Pest, Viren wie Pocken oder Ebola sowie reine Gifte wie Rizin. Sie können leicht und wenig auffällig in Heim-Labors gezüchtet werden und richten bei einer Verbreitung größtmöglichen Schaden an. Milzbrandsepsis führt schnell zum Tod. Pocken, Ebola und Pest können große Epidemien verursachen.
Weit eher aber als der Ernstfall kann eine bloße Verdachtsmeldung schon Folgen wie eine Massenpanik haben, die ein ganzes Wirtschaftssystem lähmt – wie in den USA 2001. Dort wollte niemand mehr seine Post öffnen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz baut das deutsche Schutzsystem Zug um Zug aus. Es berücksichtigt dabei das Ruhrgebiet wegen der hohen Bevölkerungsdichte. So ist bereits eine von bundesweit sieben Chemischen Analytischen Task Forces in Dortmund stationiert.