Essen/Dortmund. In Essen soll eine Einheit gegen Bio-Terror stationiert werden. In Dortmund ist bereits jetzt eine 15-köpfige Spezialeinheit jederzeit einsatzbereit, um bei Chemiekatastrophen das Schlimmste zu verhindern.

Das Ruhrgebiet wird Standort der ersten Anti-Terror-Einheit, die die Zivilbevölkerung speziell vor Attentaten mit Krankheitserregern und Bio-Giften wie Milzbrand und Anthrax schützen soll. Nach WAZ-Informationen wird die „Biologische Task Force“ in Essen stationiert. Bundesweit sind durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz vier dieser hochqualifizierten Spezialeinheiten geplant, die Erreger identifizieren und Sofortmaßnahmen einleiten können.

Ab sofort einsatzbereit sind Sondereinheiten der Feuerwehr, die nach Unfällen in Chemiewerken und mit Gefahrguttransporten ausgetretene chemische Stoffe analysieren. Standorte für NRW sind Köln und Dortmund.

Erinnerungen an die Katastrophe von Seveso

Der Albtraum heißt Seveso. Immer noch. 36 Jahre ist es her, dass nach der Explosion der Icmesa-Fabrik hunderte Einwohner der norditalienischen Industriestadt an Chlorakne erkrankten. Wochen später räumte der Roche-Konzern ein: Eine Giftwolke mit Dioxin war über Wohngebiete getrieben. Niemand hatte die Menschen gewarnt.

Unbekanntes Gift in der Atemluft ist eine der Urängste industrieller Ballungsräume. Das Ruhrgebiet, wo 100 000 Menschen bei 1200 großen und kleinen Chemiebetrieben Arbeit haben, stellt sich jetzt auf, solche Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Die „Analytische Task Force“ (ATF) des Bundes, eine 15-köpfige, mit vier Fahrzeugen ausgestattete Spezialeinheit der Feuerwehr, ist in Dortmund-Eichlinghofen einsatzbereit. Ihr Job: Im Umkreis von 200 Kilometern Chemie dort zu erkennen, wo sie nicht hingehört.

Sigis 2 hilft dabei. Das hellgraue Infrarot-Spektrometer, das wie ein U-Boot-Periskop aus dem Dach eines rollenden Labors gefahren werden kann, hat Ammoniak geschnuppert. Das Prüfergebnis taucht auf dem Display auf. Matthias Erve, der fachliche Einsatzleiter der Truppe: „Wir können mit Sigis Gefahrenstoffe in fünf Kilometer Entfernung analysieren“. Denn: Erst die genaue Analyse macht die Eindämmung der Gefahr möglich.

25 große Chemie-Störfälle jährlich 

„Jährlich gibt es in Deutschland 25 große Störfälle in Industrieanlagen, bei den chemische Substanzen freigesetzt werden“, sagt Christoph Unger, der Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz in Bonn. „Pro Jahr ereignen sich auch 250 Unfälle mit Gefahrguttransportern“. Die ATF, die unter der Regie seines Amtes arbeitet, ist auf die „Großlagen“ ausgerichtet – wie die in Köln-Worringen im März 2008, als Acrylnitril nach einer Explosion freikam. Vorsorglich fuhren damals 50 Notarztwagen mit Blaulicht auf, bevor der Stoff identifiziert war. „Mit unserer Task Force hätten wir das eher erfahren“, sagt Unger.

Auch hinter kleineren Vorgängen können Gefahren lauern. Kürzlich hat der Zoll die Dortmunder ATF alarmiert. In der Nähe von Hagen hatten die Beamten einen Lkw mit unbekannter Ladung und ohne jede Begleitpapiere gestoppt. Die Geräte fanden heraus, dass es sich um – wenig gefährliche – Antibiotika für die Tierhaltung handelte. Schon ernster verlief für die Kölner Kollegen das letzte Wochenende. Ein 85-jähriger Rentner aus Düren wollte sich mit dem Rattengift E 605 das Leben nehmen. Er konnte gerettet werden. Aber er verseuchte bei dem Suizid-Versuch die ganze Umgebung.

Die Einrichtung der bundesweit sieben Einheiten der „Analytischen Task Force“, eine Investition von zehn Millionen Euro, ist Teil der großen Modernisierungs-Offensive beim Bevölkerungsschutz. Sie sieht den Aufbau einer medizinischen Einsatzgruppe mit 400 Fahrzeugen für Massen-Fälle wie die der Duisburger Loveparade genau so vor wie 190 neue Brandschutzfahrzeuge für die Bundesländer.

Engpässe beim Personal

Ein Engpass: das Personal. Matthias Erves Dortmunder Kollegen haben eine Doppelfunktion. Neben der ATF-Einsatzbereitschaft für die mögliche und hoffentlich nicht eintretende Chemiekatastrophe tun sie die ganz normale Feuerwehr-Arbeit. Da gibt es einen Mangel an Kräften. In der westfälischen Revierstadt sind 70 Stellen nicht besetzt.