Essen. .
Bringen die Beachvolleyballerinnen Kathrin Holtwick und Ilka Semmler Seaside-Geschäftsführer Holger Walterscheid Edelmetall mit, hat er ein Luxus-Problem. Anders die Schwimmer und Kanuten.
„Hier ist gutes Wetter und es ist sehr heiß. Eigentlich untypisch Britisch“, sagt Ronja Schütte lachend am Telefon. Seit Montag weilt die 22-Jährige des Essen-Werdener Ruderclubs (EWRC) als frisch gebackene Olympia-Debütantin in einem Wohnheim des Eton College westlich von London. Mit dem Deutschen Frauenachter geht die Jungolympionikin dort abseits von der britischen Hauptstadt am Dorney Lake jeden Morgen bereits ab 8 Uhr per Boot ins Wasser, um die Strecke zu erkunden und kilometerweise zu trainieren. Am Mittwoch waren es zum Beispiel zwölf.
Kein Einmarsch der Nationen
„Das ist ein See mit einer Hochfahrbahn. Wenn Wettbewerbe laufen, können sich die Ruderer dennoch einfahren“, erzählt die junge Sportlerin, die Psychologie an der Bochumer Ruhr-Universität studiert. Sieben Bahnen gäbe es auf der Strecke, die schmal sei und „leider etwas windanfällig“. Alles sei aber sehr gut organisiert. „Wir freuen uns, dass es am 29. Juli endlich los geht, aber irgendwie denke ich nur noch in Daten“, sagt Ronja Schütte entschuldigend auf die Frage nach dem ersten Vorlauf – und der ist schon am Sonntag, 12.50 Uhr. Das Wettkampffieber komme bei ihr erst kurz vor dem Start.
Zur Eröffnungsfeier sowie dem Einmarsch der Nationen ging es am Freitag nicht. Der Blick auf die Mattscheibe musste reichen, da die Entfernung zwischen dem Quartier der Ruderer und Kanuten und dem Olympiastadion im Londoner East-end zu groß sei. „Wir brauchen allein 35 Minuten von der Unterkunft zur Strecke“, sagt Ronja Schütte. Immerhin trafen gestern ihre Mutter, Schwester und ihr Onkel ein.
Kein Beachvolleyball-Rudelgucken am Baldeneysee
Gerne würde wohl auch Holger Walterscheid seinen beiden Club-Angehörigen, den Beachvolleyballerinnen Kathrin Holtwick und Ilka Semmler, solch’ eine Unterstützung bieten, aber das Hochsommer-Wetter und daher brummende Geschäft lässt dem Chef des Seaside Beach am Baldeneysee keine Chance, sich dem olympischen Fieber hinzugeben.
„Ich werde die Partien der beiden vor dem Fernseher verfolgen“, sagt der 39-Jährige. In den Genuss eines Rudelguckens des ersten Vorrundenmatches heute um 11 Uhr kommen die Besucher des Strandclubs daher nicht. Das attraktive Duo ist in den Top 10 ihrer Sportart, aber nur mit Losglück hält Walterscheid eine Überraschung für möglich. Irrt er sich, kommt er in Zugzwang: „Wenn sie ‘ne Goldmedaille mitbringen, muss ich mir etwas einfallen lassen für die Rückkehr.“
Dieses Problem dürfte sich auch Bernhard Gemlau, Vorsitzender der Startgemeinschaft Essen (SGE) im Schwimmen, stellen. Denn: „Die Chancen sind in den Staffeln vorhanden.“ Mit den Brust-Spezialisten Hendrik Feldwehr und Caroline Ruhnau, der in der Freistil-Staffel gesetzten Lisa Vitting und dem für sein Heimatland Bosnien-Herzegowina startenden Ensar Hajder hat die SGE vier Teilnehmer am Start. „Das bestätigt, dass wir in Essen eine Schwimmhochburg sind“, sagt Gemlau. 1992 habe das angefangen, erinnert er sich. Ein Rudelgucken im Sportinternat hat er für heute noch kurzfristig auf die Beine gestellt.
"Eine ungewohnte Betrachtungsweise"
Etwas ruhiger können die Verantwortlichen der Kanusport-Gemeinschaft das olympische Treiben angehen: Ihre Aushängeschilder Max Hoff und Jonas Ems müssen erst ab dem 8. August ran, die große Verabschiedung gab’s am Mittwochabend. Vorbereitet ist man dennoch: Da die Rennen morgens ab 9.30 Uhr sind, lädt Club-Manager Heino Terporten zu „Olympia-Frühstücken“ samt Großbildleinwand (Info: www.kg-essen.de, Anmeldung bis 3. August). „Was wir uns wünschen ist klar“, sagt der 72-Jährige, „aber wir rechnen mit drei Medaillen.“
Gespannt sind auch die verbliebenen Mitarbeiter des Olympiastützpunktes am Alfred-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid. Ihre Arbeit stehen und liegen lassen werden sie nicht, zwischendurch wird aber wohl mal der Fernseher eingeschaltet. „Eine ungewohnte Betrachtungsweise“, sagt Trainingswissenschaftler Volker Groß. Er war in den letzten 20 Jahren fünf Mal im Olympia-Dorf, diesmal nicht: „Darüber bin ich aber nicht traurig.“
Zeitplan der Essener Teilnehmer am ersten Olympia-Wochenende
Beachvolleyball: Kathrin Holtwick und Ilka Semmler starten heute um 11 Uhr in die Vorrunde.
Schwimmen: Hendrik Feldwehr zieht heute ab 12.53 Uhr die ersten Bahnen beim Vorlauf über 100m Brust. Lisa Vitting springt um 13.11 Uhr beim Staffel-Vorlauf über 4x100m Freistil ins Wasser. Ihr Finale und das möglich Halbfinale von Feldwehr verfolgen die Freunde der SGE ab 20.30 Uhr im Rüttenscheider Sportinternat, Rosastr. 83. Interessierte willkommen!
Schwimmen II: Caroline Ruhnau beginnt Sonntag um 11.43 Uhr beim Vorlauf über 100m Brust, das Halbfinale wäre um 20.48 Uhr. Schafft Brustschwimmer Feldwehr es ins Finale, kämpft er um 21.08 Uhr.
Rudern: Ronja Schütte kämpft mit dem Frauenachter am Sonntag um 12.50 Uhr um den Einzug ins Finale. Der Werdener Ruderclub lädt zum Rennen-Rudelgucken ins Bootshaus am Hardenbergufer 121 ein.