London. . Es soll das ganz große Ding werden, mit 15.000 Freiwilligen. Star-Regisseur Danny Boyle übt und übt und übt. Doch vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele am Freitag liegen in London die Nerven blank. Obendrein nervt die BBC den Künstler.

Danny Boyle steht vor der schaurig-schönsten Premiere seiner Laufbahn: Freitagabend bringt der britische Regisseur die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele auf die Bühne. Vier Milliarden Menschen wollen zuschalten – viel Ehre und Last zugleich. „Trainspotting“ und „Slumdog Millionär“ mögen Boyle als Meister des visuellen Rausches etabliert haben, doch keines seiner Projekt war je so groß wie dieses. Und die Nerven im Olympischen Park liegen längst blank.

Seit Monaten trainiert Boyle mit 15.000 Freiwilligen den dreistündigen Parcours, an den so viele Erwartungen geknüpft sind: Er soll dem Welt-Fernsehpublikum die Geschichte und Kultur Großbritanniens zeigen, sein Tempo, seinen Witz, seine Besonderheiten. Eigentlich dürfte das kein Problem für den 55-Jährigen sein.

Er wohnt im Londoner Osten und kennt die Seele der Stadt, hat ein Olympia-Budget von 35 Millionen Euro und ein Händchen dafür, mit wenigen Requisiten großes Kino zu machen.

Danny Boyle soll vor der letzten U-Bahn fertig werden

Doch Stratford ist nicht Hollywood, und Nachrichten über „kreative Spannungen“ im Olympischen Park sind Stadtgespräch. Weil Boyle von den Fernsehübertragungsteam nicht die Kamerapositionen bekommt, die er fürs Erzählen seines Insel-Epos braucht, droht der Knatsch zu eskalieren. Die Zeitung „The Guardian“ berichtet, Boyles Wohnwagen am Park müsste von Sicherheitskräften geschützt werden. Auch die BBC mischt sich in seine aufwändige Produktion ein und hat angekündigt, die Show während der Übertragung zu kommentieren. Boyle soll entsetzt reagiert haben – den geplanten Mix aus Theaterstück, Tanz und Musical würde Moderatoren-Geschwafel nur weiter verhunzen. 30 Minuten musste er bereits aus der Aufführung herauskürzen, weil Olympia-Planer befürchtet hatten, dass die Gäste nach der Eröffnung nicht mehr mit der letzten U-Bahn nach Hause kommen würden.

Bleibt zu hoffen, dass Boyle all diese unsportlichen Banalitäten kreativ umgeht – so wie es dem Shooting Star der Filmindustrie fast immer gelungen ist. Seine Karriere begann er beim Theater, dann wechselte er als Produzent zur BBC nach Nordirland. Spät, erst vor 18 Jahren, traute sich der selbsterklärte Musik- und Bildersüchtige an einen eigenen Film. Der Durchbruch gelang ihm schließlich mit „Trainspotting“ – einer Geschichte über einen Heroinsüchtigen, die viel Potenzial für Traurigkeit hätte, bei Boyle aber einen rasanten, lebenshungrig-positiven Dreh bekommt.

Dem Muster blieb der Brite auch beim achtfachen Oscar-Gewinner „Slumdog Millionär“ treu: Statt Untergangsstimmung zeigte Boyle in (echten) Slums indischer Metropolen den lebhaften Alltag, das manisch-urbane Treiben und als Happy End den Triumph seines hoffnungslosen ausgestoßenen Anti-Helden. Eine dramatische Toilettenszene gibt es in beiden Filmen - ganz klar eine Botschaft, die Boyle vermitteln möchte: „Man muss durch die Scheiße, um sein Ziel zu erreichen.“

Chancenreich wie Butter in der Hölle

„Slumdog Millionär“ hatte, meint der Brite, „so viele Chancen wie ein Päckchen Butter in der Hölle“. Kaum Geld, viel Ärger, zögerliche Verleiher – fast wäre der Film ein Flop geworden. Den hatte Boyle übrigens zuvor hingelegt, und zwar in epischen Dimensionen: Mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle von "The Beach" versenkte der Regisseur 50 Millionen Dollar an den Kinokassen. „Slumdog Millionär“ rettete ihn schließlich wider Erwarten. Als knapp Gescheiterter war Boyle somit doch am Ziel seiner Träume angekommen – was ein bisschen so klingt, als sei er seinem eigenen Drehbuch entstiegen.

Dass die Wahl auf ihn als Regisseur der Eröffnungsfeier gefallen ist, hat nicht nur mit dem Schub zu tun, den er der britischen Filmindustrie verpasst. Boyle ist durch und durch Optimist, eine Haltung, die gut zum Olympia-Start passt. Streng katholisch, mit Wunsch aufs Priesteramt, ist er von irischen Arbeitereltern in Manchester erzogen worden. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihn dieses Erbe unter allen Regisseuren mit Blick für soziale Themen zu demjenigen macht, der am wenigsten zynisch oder pessimistisch ist: „Ich bin heimlicher Romantiker.“ Mit einer pastoralen Weideszene und echten Schafen will er Freitag in die Show einsteigen.