Essen. . Im Strafsaal ging es um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Das Verhalten des angeklagten Schrotthändler-Pärchens wirkte aber eher, als wären sie in einer Fernsehsendung. Immerhin gab es am Mittwoch ein erstes Urteil gegen die Lebensgefährtin des Hauptangeklagten Rainer S. (64), der sich einst im Rotlicht-Milieu einen Namen machte. Im Juli wird weiterverhandelt.
Von einer bewegten Beweisaufnahme sprach Richter Wolfgang Schmidt am Mittwoch höflich. Dabei erinnerten Wortgefechte der Dorstener Angeklagten manchmal an Fernsehsendungen in der Güteklasse Barbara Salesch. Immerhin gab es vor dem Landgericht Essen ein erstes Urteil gegen die 28 Jahre alte Lebensgefährtin des Hauptangeklagten Rainer S. (64): Ein Jahr und sechs Monate mit Bewährung für rund 620 000 Euro hinterzogener Umsatzsteuer.
Die frühere Essener Milieugröße Rainer S. war vor einigen Jahren in den Schrotthandel eingestiegen. Laut Anklage mit dem Ziel, Umsatzsteuer im großen Stil zu hinterziehen. Staatsanwältin Karsta Suerbaum beschuldigt ihn, mit Schrott aus Polen und den Niederlanden sowie mit Scheinrechnungen rund 1,85 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben.
Zehn Tage lang verhandelt die XXI. Strafkammer bereits, zwischendurch mussten beide Angeklagten, die hartnäckig geschwiegen hatten, mit gesundheitlichen Problemen ins Krankenhaus. Am Donnerstag kündigten sie Geständnisse an. Das Gericht sicherte ihnen dafür einen gewissen Strafrahmen zu: Rund fünf Jahre Haft für Rainer S., Bewährung für die Mitangeklagte.
Einen Job im Puff lehnte sie ab
Die 28-Jährige begann, und es wirkte wie aus dem Familiengericht. Aus Nürnberg kommt sie, hatte immer einen Job und folgte dann dem Ruf ihres Freundes ins Ruhrgebiet. Als er ihr einen Job im Puff anbot, lehnte sie ab: „So etwas mache ich nicht.“ Sie vertraute ihm weiter, lobt seine Kontakte: „Er kennt doch alle, vom Bettler bis zum Bankdirektor.“ Richter Schmidt nickt: „Ja, er lebt schon lange hier.“
Als Rainer S. sie bat, einen Schrotthandel zu gründen, will sie sofort eingewilligt haben: „Selbstständig, da träumt doch jeder von.“ Doch sie klagt: „Ich wusste nicht, dass Steuern hinterzogen werden sollten. Rainer hatte sich um alles kümmern wollen.“ Immer wieder schaltet der 64-Jährige sich ein, dass seine Freundin Daten vertausche. Sie kontert: „Ich hab' es nicht so mit Zahlen.“ Erst spät habe sie erkannt, in welche Machenschaften sie verstrickt sei, dass sie jetzt riesige Schulden beim Finanzamt hat: „Ich konnte es nicht glauben, dass ein Mensch, der mir so viel Gutes tat, mich in so eine Scheiße reitet. Der war doch immer gut zu mir.“
„Sag die Wahrheit!“
Total abhängig sei sie von ihm gewesen, deutet sie öfter an. Aber als Rainer S. zu seinem Geständnis kommt, zeigt sie sich keineswegs unterwürfig. Rainer S. erzählt recht ausschweifend, redet von den armen Tieren auf seinem Hof in Dorsten, die essen wollen. Gönnerhaft wirft er auch schon mal ein, er sage jetzt etwas, „damit auch die Frau Staatsanwältin das versteht“. Und immer wieder schreit von hinten seine Lebensgefährtin: „Sag die Wahrheit.“ Einmal haut sie auch derart laut auf den Tisch, dass die vorderen Reihen zusammenzucken. Zwischendurch in dieser Verhandlung steht der in U-Haft sitzende S. auch auf, läuft wegen seiner Schmerzen herum. Nur das Geständnis ist nicht so, wie es seien sollte. Jetzt soll gegen S. Ende Juli weiterverhandelt werden.