Essen. . Immer mehr Videotheken machen dicht. In Essen ist ein Rückgang um gut 75 Prozent in zehn Jahren festzustellen. Einer der Gründe für den Exodus: Leih-DVDs gibt’s heutzutage im Fitnesstudio und im Getränkemarkt. Branchenvertreter beklagen außerdem: “Piraterie ist das wesentliche Problem.“

Es waren blühende Landschaften, Anfang der 1990er Jahre in der ehemaligen DDR – für die damals florierende Videothekenbranche. Denn die neuen Bundesbürger hatten Nachholbedarf bei bewegten Bildern. Über 9000 Verleihstellen gab’s bundesweit – zur Spitzenzeit. Auch im Westen der Republik, in Essen, blühte der Verleih wie die Tulpen im Grugapark.

Doch diese Zeit ist längst vorbei. Von den insgesamt 39 Vi­de­otheken, die noch vor zehn Jahren zwischen Borbeck und Byfang ansässig waren, mit zehntausenden Videokassetten im Angebot, ist der Löwenanteil mittlerweile verschwunden. 2007 zählte die Gewerbemeldestelle noch 19 Verleihstationen; heute sind es stadtweit gerade mal neun, Tendenz weiter fallend. Ein Einzelfall ist das große Videothekensterben in Essen zweifelsohne nicht.

Der „Bundesverband Audiovisuelle Medien“ listet bundesweit aktuell gerade mal noch 2460 Videotheken, davon 517 in NRW. Im Vergleich: Vor fünf Jahren waren es im bevölkerungsreichsten Bundesland noch 819. Vielen Essenern ist die Videothekenkette „World of Video“, eine der größten im Land, wohl gut bekannt: Denn sie hatte mit mehr als sechs Filialen einst die meisten Videotheken in der Stadt – in Borbeck, Kray, Altenessen und Frohnhausen. Gerade mal zwei sind heute geblieben. Aus Borbeck ist die Kette ganz verschwunden, einzig die Beschriftung am Ladenlokal am Leimgardtsfeld ist geblieben.

„Piraterie ist das Problem“

Warum es für die Videothekenbranche – und das nicht nur in Essen – von Jahr zu Jahr schwieriger wird, weiß Jörg Weinrich, Vorstand im Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland (IVD): „Nicht unser Produkt ist für die Menschen unattraktiv geworden, man bekommt’s einfach immer früher und billiger, meist sogar kostenlos. Piraterie ist das wesentliche Problem.“ Dazu käme eine Verschiebung der Freizeitgestaltung. „Denn vor zehn Jahren hat niemand zehn Stunden am Tag vor Facebook und Co. gehockt.“

Der IVD mit Sitz in Düsseldorf führe eine Liste mit schwarzen Schafen, die annähernd 3000 Seiten im In­ternet umfasst, bei der Vide­os illegal zum Herunterladen oder direkt schauen angeboten würden. „Da ist die Pornografie noch nicht dabei – da muss es 10.000 Seiten geben, die illegal Inhalte verbreiten“, sagt Weinrich. Das Portal „Kino.to“ sei mit Abstand der größte illegale Verbreiter für Filme gewesen. Obgleich er abgeschaltet wurde, hätten Nachahmer den Bereich schon zurück erobert – mit teilweise mehr Filmen als „kino.to“. Darunter leide nicht nur die gute alte Videothek sondern ebenso legale Internetportale, die mit dem Verleih Geld verdienen. „Wir sehen sie als Mitbewerber, die das gleiche Problem haben, nicht als Konkurrenz,“, so Weinrich.

Zwischen Hanteln und Hochprozentigem 

Zwischen dem Bezahlangebot wie Videoload und illegalen wie kino.to liegen nur zwei Browserfenster“, so Weinrich. Was es brauche, um die Videothekenbranche wieder stark zu machen, seien gesetzliche Änderungen. Doch da spielte der Gesetzgeber nicht hinreichend mit. Was der klassischen Videothek ebenfalls zu schaffen macht, sind aber auch neue, legale Modelle des Verleihs.

So ist es heute in vielen Fitnessstudios möglich, als Kunde kostenlos aktuelle Filme auszuleihen. Ein Beispiel dafür ist „HealthCity“ im Giradet Haus. Dort können Mitglieder DVDs drei Tage lang kostenlos ausleihen. Leihen sie länger, müssen sie zuzahlen. Zwar ist die Filmauswahl eher begrenzt und passt in ein Regal, dafür wechseln die Titel regelmäßig.

"Markt und Verleih profitieren voneinander"

Essens ersten Videoverleih integriert in einem Getränkemarkt gibt es hingegen bei „Getränke Hax“ an der Hatzper Straße in Frohnhausen. Anders als Großvideotheken sind in der „1a-Moviebox DVD Verleihautomat“ nur 3000 Filme auf Lager. „Ab und an fragen Kunden nach alten Filmen, die wir nicht im Sortiment haben. Meine Söhne geben dann immer ihr Bestes, sie noch zu bekommen – oft mit Erfolg“, sagt Werner Hax, der den Getränkemarkt betreibt; seine zwei Söhne Gerry und Oliver kümmern sich ums Verleihgeschäft. Und das seit nunmehr drei Jahren. Neben Wasser, Wein und Wodka Videos ins Angebot aufzunehmen, sei „eine gute Entscheidung gewesen“, so Hax. Oft würden die Herren sich nach Getränken umschauen, während ih­re Frauen und Kinder am Automaten Filme leihen.

Hax: „Der Markt und der Verleih profitieren so voneinander.“ Die Kombination, dass jemand im Laden ist, die Bereiche voneinander getrennt sind und sonntags geöffnet ist, sei ideal. „So haben wir alles un­ter Kontrolle, anders als in Automatenvideotheken ohne Personal“, sagt Hax. Einziges Manko: Die Filme müssten immer aktuell sein, seine Söhne sich auf dem Laufenden halten, was in der Filmwelt passiert. „Sonst kommen die Leute nicht.“

Jörg Weinrich vom IVD bleibt dennoch zuversichtlich: „Wenn wir es schaffen, dass die Raupkopieportale abgeschaltet oder unerreichbar werden, hat die gesamte Videothekenbranche eine gute Zukunft.“

Interessenverband „IVD“

Der „Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland“ (IVD) wurde 1983 in Düsseldorf gegründet. Als Berufsverband vertritt er die Interessen von über 1100 Videothekaren mit annähernd 2.900 Video- und Medienfachgeschäften. Damit sind etwa 80 Prozent der 3500 deutschen Videotheken Mitglied im IVD. Der Verband berät sie in branchenspezifischen Fragen und handelt Konditionen, zum Beispiel mit der GEMA aus, betreibt Lobbyarbeit in Politik und Gesellschaft und stellt die Branche in der Öffentlichkeit vor. Infos gibt es auf: www.ivd-online.de