Herne. . Mit Sorge betrachtet die Politik die Expansion der Spielhallen-Branche in Herne. Die Hoffnungen ruhen auf Reformen durch den Gesetzgeber.
Die Ohnmacht der Kommunalpolitik – am Donnerstagabend war sie im Ratssaal zwischen 17.32 Uhr und 18.04 Uhr regelrecht greifbar. Anlässlich der Ausweitung einer Spielhalle hinterm Bahnhof wollten SPD und Unabhängige Bürger in der Bezirksvertretung Herne-Mitte von der Stadt wissen, wie man solche unliebsamen Vorhaben verhindern könnte. Da kann man zurzeit (fast) nichts machen, so lautete die Botschaft der Bauverwaltung. Trotzdem gibt es Indizien dafür, dass sich die Ära des ungebremsten Spielhallen-Wachstums in Herne und anderswo schon bald dem Ende zuneigen könnte.
Für das Projekt Bahnhofstraße 108 dürfte dies jedoch keine Auswirkung mehr haben: Nach der von der Stadt genehmigten und bereits begonnenen baulichen Erweiterung sollen dort fünf Einzelspielhallen à 150 qm und mit jeweils zwölf Geldspielautomaten Zocker anlocken. Planungs- und baurechtlich habe man keine Handhabe gehabt, bedauerte Peter Muhss vom Fachbereich Bauordnung.
Eine Position, die auch Baudezernent Karlheinz Friedrichs bereits mehrfach vertreten hat. Den Städten müssten mehr planungs- und ordnungsrechtliche Werkzeuge an die Hand gegeben werden, so seine Forderung. Die auch in vielen anderen Kommunen laut gewordene Klage ist offenbar inzwischen erhört worden. „Der neue Glücksspielstaatsvertrag enthält erstmals spezielle Bestimmungen, die bestimmte Anforderungen an den Betrieb von Spielhallen in den Ländern festlegen“, erklärt der Deutsche Städtetag auf WAZ-Anfrage. Und im rot-grünen NRW-Koalitionsvertrag heißt es – wenn auch sehr vage – in den Zeilen 8547 und 8548: „Wir wollen die Expansion der gewerblichen Spielhallen eindämmen . . .“.
In Herne gibt es schon erste Anzeichen dafür, dass das Expansionsstreben der Branche längst nicht mehr ungebremst ist: So ist es beispielsweise um die Pläne eines Investors, auf dem Hibernia-Gelände an der Holsterhauser Straße ein „Entertainment-Center“ zu errichten, ruhig geworden. Ein Bauantrag liegt der Stadt bisher nicht vor. Auch auf dem Areal des ehemaligen Ford-Autohauses an der Dorstener Straße, wo ebenfalls eine XXL-Spielhalle entstehen soll, hat sich noch nichts getan, obwohl der Baubeginn rein rechtlich möglich wäre. Wie berichtet, hatte ein Anwohner gegen das Vorhaben geklagt. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat das Verfahren jedoch kürzlich eingestellt, nachdem sich der Kläger – offenbar mangels Erfolgsaussichten – zurückgezogen hatte.
Zurück zur Sitzung der Bezirksvertretung am Donnerstag: Zwischen 17.32 Uhr und 18.04 Uhr war im Ratssaal neben der Ohnmacht der Politik auch die Doppelmoral der Stadt greifbar. „Spielhallen werden von uns sehr kritisch gesehen“, bedauerte Peter Muhss gegenüber der Politik. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Stadt bei Spielhallenbetreibern kräftig abkassiert und somit - zugespitzt formuliert - Profiteur der Krankheit Spielsucht ist. Aktuell nachzulesen in den neuen Vorschlägen der Stadt zur Sanierung des Haushalts: Allein die Erhöhung der Steuer auf Geldspielautomaten von 14 auf 16 Prozent sollen jährlich 280 000 Euro zusätzlich in die Stadtkasse spülen, so die Rechnung der Kämmerei.
Die Zahl der Spielhallen ist in Herne seit 2009 permanent gestiegen. Und zwar: von 54 Standorten mit rund 500 Automaten im Schnitt im Jahr 2009 auf zurzeit 69 Spielhallen mit rund 800 Automaten. Die Einnahmen aus der Vergnügungssteuer lagen 2011 bei rund 2,7 Millionen Euro.