Essen. . Die meisten Schulen in Essen lehnen den Vorschlag aus Düsseldorf, am Freitag die erste Stunde wegen der Europameisterschaft ausfallen zu lassen, ab. “ Wenn einer müde ist, dann ist das eben so“, sagt etwa Wolfgang Erdmann, stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule Nord.
Oh’ Schland, was ist geschehen? Nein, nur an wenigen Schulen dürfte am Freitag die erste Stunde ausfallen. Dabei steht Deutschland doch im Halbfinale gegen Italien. Der Vorschlag von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, den fußballbegeisterten Schülern eine längere Nachtruhe zu gönnen, sorgt jedenfalls bei vielen Schulleitern und Direktoren für Kopfschütteln.
Dass Düsseldorf dabei gewährleistet sehen will, dass kein Unterricht ausfällt, stellt den Vorschlag ins Abseits: „Wann sollen wir die Stunde nachholen? In den Ferien?“ Der Abpfiff in Essen ist deutlich zu hören.
Organisatorische Gründe
Zum Beispiel an den Grundschulen. Es sind vor allem organisatorische Gründe, die Jürgen Krisch, Leiter der Grundschule an der Rahmstraße in Altenessen, wie viele andere dazu bewogen hat, nichts ausfallen zu lassen: „Viele Eltern sind berufstätig und auf verlässliche Schulzeiten angewiesen. Das würde überhaupt nicht gehen.“
Nicht anders sieht es Ulrike Leopoldina Esser, Leiterin der Johann-Peter-Hebel-Schule in Überruhr: „Wir packen gerade für den Umzug ins neue Schulgebäude. Eine Klasse hat einen Ausflug angesetzt, das ist nicht mehr zu ändern.“ Und wenn ein Kind morgens etwas müde sei, „dann ist das kein Beinbruch, wir werden am Freitag bestimmt keine Mathe-Arbeit schreiben.“
Über dicke Augen hinwegsehen
So wird auch Schulleiterin Mechthild Jahnke an der Dionysiusschule in Borbeck mit ihren Kolleginnen über so manche dicken Augen bei den Kindern hinwegsehen: „Letztendlich müssen das die Eltern entscheiden.“ Die Flanke aus Düsseldorf jedenfalls hält das Kollegium in Borbeck für einigermaßen misslungen: „Wir haben an den Schulen ganz andere Probleme.“
Helmut Feldkirchner, Rektor der Geschwister-Scholl-Realschule in Borbeck, hält die Europameisterschaft für ein nachrangiges Problem: „Die Arbeiten sind geschrieben, die Noten stehen fest, und an manchen Montagen blicke ich auch ohne Fußball in müde Schülergesichter.“ Nein, dieser Pass läuft ins Leere: „Und dann soll ich meinen Schülern noch sagen, sie müssen die Stunde nachsitzen? Wie soll das denn organisiert werden?“
Keine Chance für ein längeres Ausschlafen
Ekkehard Witthoff, Konrektor der Franz-Dinnendahl-Realschule, sieht ebenfalls keine Chance für ein längeres Ausschlafen: „Mich hat aber auch noch kein Schüler darauf angesprochen.“ Natürlich würde der Unterricht in der ersten Freitagsstunde sehr „nachsichtig“ geführt.
Es sind vor allem organisatorische Probleme, die Schulen an einer anderen Linie hindern: „Wir haben Projekte laufen, Aktionen, wir stecken schon in den Vorbereitungen fürs neue Schuljahr“, sagt Christiane Schmidt, Direktorin des Mariengymnasiums in Werden.
Die Schüler seien da eingebunden, „wir können nicht einfach eine Stunde ausfallen lassen“. Nein, nichts gegen Fußball, das Viertelfinale am Freitag durften vier Mädchenklassen bei einem internen „Public Viewing“ in der Schule schauen, Übernachtung inklusive: „Aber wir werden jetzt nicht kurzfristig alles umstoßen.“
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Finale höher bewerten?
Und ob ein Halbfinale überhaupt würdig sei, die Schulpflicht auszusetzen, daran hat Stefan Uhlmann, stellvertretender Schulleiter am Carl-Humann-Gymnasium in Steele leise Zweifel: „Wo fangen wir da an? Ist ein Finale nicht höher zu bewerten?“
Und gebe es nicht andere Ereignisse, die dann ebenfalls am nächsten Morgen zu einem späteren Schulstart führen müssten: „Das ist nicht durchdacht.“ Martin Tenhaven, Direktor des Leibnizgymnasiums in Altenessen, sieht hier ebenfalls eine Gratwanderung. Immerhin will Tenhaven das Gespräch mit den Schülern suchen: „Ich will mich noch nicht festlegen.“
"Ganz normal Unterricht machen"
Festgelegt hat sich bereits der Direktor der Frida-Levy-Gesamtschule, Berthold Kuhl: „Das ist sicher gut gemeint, aber für eine Ganztagsschule nicht praktikabel.“ Ansonsten gelte der Stundenplan, „und von den Kollegen wird keiner Unterricht mit Volldampf machen“. Ähnlich urteilt Wolfgang Erdmann, stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule Nord. Trotz der Kooperation mit RWE hält er den Vorstoß aus Düsseldorf für überzogen: „Wir werden ganz normal Unterricht machen. Wenn einer müde ist, dann ist das eben so.“ Ob dieser „Hype“ gerechtfertigt sei, frage er sich. Immerhin, Halbfinale gab’s bereits 2002, 2006, 2008 und 2010. Oh’ Schland, du hast es schön.