Deutsch-italienische Liebe trotzt auch einem EM-Halbfinale
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Essen. . Hannelore und Antonio Corica sind seit 40 Jahren verheiratet. Seit der WM in Mexiko haben sie den Klassiker aller Spiele aber nicht mehr gemeinsam verfolgt. Der Hausfrieden ist ihnen wichtiger. Beide sind sich aber einig, dass es eine „knappe Kiste wird“.
Es ist der 14. Juni 1970. Die frisch Verliebten Hannelore und Antonio Corica sitzen wie der Rest der Nation vorm Fernseher und verfolgen die Weltmeisterschaft in Mexiko. Halbfinale, Deutschland gegen Italien. Sie drückt den Jungs um Gerd Müller und Uwe Seeler die Daumen, er spornt das Team mit Luigi Riva an. Der Rest ist Fußballgeschichte - Italien gewinnt 4:3 nach Verlängerung und macht die Tifoso damit überglücklich.
Zwischen Hannelore und Antonio aber, da herrscht nach der Partie erstmal Eiszeit. Die Italiener hätten „nur geholzt“ und „unfair gespielt“, sagt sie, „verdient gewonnen“, hält er entgegen. „Wir haben damals zwei Wochen nicht miteinander geredet“, erinnert sich die 63-Jährige heute. „Zwei Jahre später haben wir geheiratet“, fügt ihr Mann augenzwinkernd hinzu. Dennoch: Es war das letzte Spiel der beiden Teams, das sich die beiden gemeinsam angeschaut haben.
„Das bessere Team soll gewinnen“
Daran wird sich auch heute Abend nichts ändern. Typisch deutsch mit einer Flasche Bier wird es sich Antonio Corica im heimischen Wohnzimmer gemütlich machen, während Ehefrau Hannelore nebenan „irgendetwas anderes“ schaut - Hauptsache, kein Fußball. Vor den Jubel- oder Verzweiflungsrufen ihres Mannes ist sie dort aber nicht gefeit: „Dafür haben die Italiener einfach zu viel Temperament“, sagt sie und lacht. Das wurde auch an die beiden Söhne weitergegeben die - ganz wie der Vater - den Squadra Azzurra die Daumen drücken. Hannelore Corica macht sich mittlerweile nicht mehr viel aus Fußball, „das bessere Team soll gewinnen“, sagt sie.
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Für Antonio Corica hingegen ist Fußball eine Herzenssache. Jahrzehntelang stand er selbst auf dem Platz, spielte unter anderem in Altenessen, Werden und Velbert auf dem Platz. In Italien wäre er mit 17 sogar fast in die Regionalauswahl gekommen - wenn er nicht 1965 dem deutschen Ruf nach Gastarbeitern gefolgt wäre.
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„2006 war für uns natürlich unvergesslich“
Doch auch in der Bundesrepublik lässt ihn das runde Leder nicht los. In Velbert trainiert er die italienische Mannschaft Stella Azzurra und erwirbt zusätzlich die Schiedsrichter-Lizenz. Die hat er zwar bis heute, hat sich von seiner aktiven Zeit aber längst verabschiedet. Als Fan aber, da wird der 64-Jährige nicht müde, die Elf seines Heimatlandes anzufeuern. „2006 war für uns natürlich unvergesslich, das kann man nicht beschreiben“, erinnert er sich an das Sommermärchen, das für die Deutschen in einem Tränenmeer endete.
Das wird heute Abend anders, davon sind beide Coricas überzeugt. „Es wird eine knappe Kiste. Die Deutschen sind stark. Um sie zu schlagen, müssen wir nicht nur gut spielen, sondern auch noch Glück haben“, sagt Antonio Corica. Deswegen tippt er auch nur auf ein 1:0 der italienischen Mannschaft - und hofft, das der als Hitzkopf berüchtigte Mario Balotelli sich heute Abend am Riemen reißt. „Hauptsache ist, dass es sportlich fair zugeht und es - egal wie es ausgeht - auch unter den Fans friedlich bleibt“, hofft Hannelore Corica, die sich ebenso wie ihr Mann in der italienischen Gemeinde an der Elisenstraße engagiert. „Unser Sohn hatte sein Auto 2006 je zur Hälfte deutsch und italienisch dekoriert. Auf der grün-weiß-roten Seite wurde es beschädigt“, erinnert sie sich. Fußball sei eben immer noch ein Sport und genau als solchen sollte man ihn auch nicht zu ernst nehmen, davon sind beide überzeugt. Das Spiel zusammenschauen wollen sie dennoch nicht - der Hausfriede ist wichtiger.
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