Kamen.Wer Fabio Tiozzo ernsthaft fragt, welche Mannschaft er heute beim EM-Halbfinale anfeuert, fängt sich statt einer Antwort nur einen entrüsteten Blick ein. Versteht sich also von selbst, dass der Eisverkäufer Italien die Daumen drückt.

„Ich bin in Deutschland nur Gast“, betont er. Zwar lebt der Besitzer der Eisdiele Venezia schon seit 1989 in Kamen, fühlt sich seinem Heimatland aber immer noch sehr verbunden. Die ersten 23 Jahre seines Lebens verbrachte er in Sottomarina. Die Stadt liegt 20 Kilometer südlich von Venedig.

Schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt waren der Grund, warum Fabio Tiozzo seinem Bruder nach Deutschland folgte. „Ich habe zwei Jahre Eis vom Wagen verkauft, bevor ich anfing in der Eisdiele meines Bruders zu arbeiten“, erinnert sich Tiozzo.

EM-Duell der Eisbällchen

Genau über dieser Eisdiele wird der 46-jährige heute das EM-Spiel ansehen. „Ich guck allein in meiner Wohnung“, kündigt er an. Auch wenn die Italiener für ihr Temperament bekannt sind, lässt es Tiozzo ganz entspannt angehen. Statt ins Trikot wirft sich der Eisverkäufer auf die Couch. „Schön die Füße hochlegen“, sagt er und lacht. Da habe er wenigstens seine Ruhe.

Ein bisschen Fan-Temperament kommt aber doch in ihm hoch, als er für ein Foto mit seiner Angestellten Annika Voß posieren soll. Ein kleines Gerangel entsteht, welche „Eis-Flagge“ denn nun höher gehalten werden darf. „Ach, Italien gewinnt doch eh!“, scherzt der Eisbällchen-Fachmann und lässt sich auf frostigen Gleichstand ein.

Unbegründet ist Tiozzos Vermutung nicht. Schließlich hat Deutschland Italien bislang noch nie in einem Pflichtspiel bezwingen können. Wenn es nach Tiozzo geht, kann das auch ruhig so bleiben. Bislang ist er jedenfalls mit der Leistung „seiner“ Mannschaft zufrieden. „Die Spiele gegen Spanien und Kroatien waren wirklich schön“, resümiert der Eisverkäufer. Sehr aktiv seien die Partien gewesen. „Die haben da dieses Jahr eine wirklich gute Mannschaft hingekriegt“, sagt er. Auch Nationaltrainer Cesare Prandelli sei „einfach super“.

Ob Deutschland auch dieses Mal wieder vor Angstgegner Italien einknickt? Fabio Tiozzo ist sich sicher: „Es wird wieder ein Elfmeterschießen geben“. Wie das Spiel dann ausgehe stünde in den Sternen.

Sollte Italien gegen Deutschland verlieren, dann gönne er auf jeden Fall der deutschen Mannschaft den Sieg. Solange Italien aber noch im Rennen ist, wird man Fabio Tiozzo nicht beim Public Viewing auf dem Marktplatz finden. „Das ist mir zu gefährlich“, scherzt der Eisverkäufer. Einer der wenigen Italiener im schwarz-rot-goldenen Meer zu sein ist ihm dann wohl doch zu heikel. Doch mit wem will der 46-Jährige im Falle eines Sieges der italienischen Mannschaft dann feiern? „Vielleicht ruft mein Vater an“, so der Eisverkäufer. Die Eltern von Fabio Tiozzo leben in Italien. Genauso wie seine zahlreichen Cousinen. Und wenn man Fabio Tiozzo so von der italienischen Mannschaft schwärmen hört, wird klar, im Grunde gehört auch sein Herz immer noch zu „Bella Italia“.