Krakau. . Der italienische Mittelfeldspieler Riccardo Montolivo hat eine deutsche Mutter, die er auch während des Spiels ehrt. Geboren ist er in Italien, in seiner Kindheit war er oft bei den Großeltern in Heidkate an der Ostsee. In Schleswig-Holstein.

Sein Lachen wirkt ansteckend. Und irgendwie ungekünstelt. „Zu Hause gibt es am Donnerstag keinen Stress. Ich glaube eigentlich, dass meine Mutter wegen mir zu Italien hält“, sagt Riccardo Montolivo mit einer schelmischen Unschuldsmine. Ganz sicher ist sich einer jedoch nicht, der für das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien eine sonderbare Symbiose abgibt. Als italienischer Nationalspieler mit doppelter Staatsbürgerschaft. Wegen seiner deutschen Abstammung. Mama Montolivo kommt nämlich aus Ascheberg, einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Der Plöner See liegt hier und der Naturpark Holsteinische Schweiz. Eine norddeutsche Wohlfühloase, in der der inzwischen 27 Jahre alte Fußball-Profi viele Tage seiner Kindheit verbrachte. Bei den Großeltern in Heidkate an der Ostsee. In der Sommerpause kommt der blonde Beau immer noch gerne dorthin, obwohl es sich Riccardo Montolivo längst jenseits der Alpen heimisch gemacht hat.

Keine Berührungsängste mit deutschen Journalisten

Deutsch spricht er indes fließend, und in der Mixed Zone nach den EM-Spielen parliert er ohne Berührungsängste mit deutschen Journalisten, nur am Dienstag im zum Casa Azzurri umfunktionierten Studentenzentrum La Rotunda inmitten von Krakau sollte Italiens zen-traler Mittelfeldspieler dann lieber wieder nur italienisch reden. „Es ist ein besonderes Spiel für mich. Ich kann meine Wurzeln nicht verbergen“, ließ er also ausrichten. Und: „Ich liebe das italienische Nationaltrikot, ich liebe dieses Land.“

Mit Mutter Antje telefoniert der in Caravaggio geborene Sohnemann auch während dieses Turniers regelmäßig. Er hat sich für sie schließlich einen Fußballschuh herstellen lassen, auf dem eine schwarz-rot-goldene Flagge prangt – auf dem linken ist immerhin das italienische Abzeichen angebracht. „Il tedesco“, den Deutschen, nennen ihn die Kollegen, obwohl der 35-malige Auswahlspieler immer schon gesagt hat, er fühle „sich zu 90 Prozent als Italiener“. Seine Geschichte ist schon häufiger erzählt worden; etwa als der FC Bayern vor zwei Jahren in der Champions League im Achtelfinale auf den AC Florenz traf. Sieben Jahre schnürte der vielseitige Mittelfeldspieler für die Florentiner seine farbigen Treter, nächste Saison heuert er nun beim AC Mailand an. Zuvor aber möchte er noch mithelfen, bei dieser EM Geschichte zu schreiben: „Die Deutschen sind jung, talentiert und stark, das respektieren wir, aber wir haben keine Angst.“ Der größte Nachteil, findet er, seien die zwei Ruhetage weniger, „wir müssen das Allerletzte aus uns rausholen“.

Fehlschuss im Elfmeterschießen gegen England

Dass er im Viertelfinale gegen England den Vorzug gegenüber Thiago Motta bekam, galt als Überraschung. Das Vertrauen seines Trainers Cesare Prandelli rechtfertigte er nur bedingt; ihm gelangen einige gute Pässe, und er lief auch wirklich viel, aber er verbreitete kaum Torgefahr, gewann zu wenige Zweikämpfe und strahlte selten eine Dominanz aus wie in seinem Rücken Andrea Pirlo.

„Montolivo genügt nicht, um dem Spiel Geschwindigkeit zu geben“, schrieb der Corriere della Sera treffend. Doch die größte Fehlleistung der Nummer 18 sollte der letztlich folgenlose Fehlschuss beim Elfmeterschießen sein, für dessen Ausführung Montolivo selbst ein typisch deutsches Wort gebrauchte: „beschissen“. Die Sache ist abgehakt. Auf die Frage, ob er sein deutsches Abzeichen am Fußballschuh deshalb überkleben müsse, hat er noch in derselben Nacht geantwortet: „Nein, nein. Mama ist heilig.“ Wie bei jedem guten Italiener.