Landwirte sehen sich einer anschwellenden Flut von Papierkram ausgesetzt - die sie beinahe davon abhält, ihre Felder zu beackern. Günter Maas aus Heidhausen schildert seine Erfahrungen.
„Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt...” Welch verklärendes Bild dieses Volkslied transportiert. Die Fortsetzung der ersten Zeile könnte bei Landwirten so lauten: „...wenn er vor lauter Bürokram noch dazu kommt.” Wer heutzutage Ackerbau und Viehzucht betreibt, muss nicht nur den Acker pflügen, sondern auch ein weites Feld an Papier. Auf dem gedeihen immer neue Paragraphen und Verordnungen. Das offenbart ein Besuch auf dem Hof von Günter Maas in Heidhausen.
„Ich bin Bauer geworden, weil ich gerne mit Tieren und Pflanzen zu tun habe. Und nicht, um Papier zu beschreiben”, macht er klar. Doch der ungeliebte Teil seines Berufs nehme immer mehr Zeit in Anspruch. Eigentlich müsse er pro Tag eine halbe Stunde - mindestens! - Akten beackern. Doch wessen Existenz von Jahres-, Blüte- und Erntezeiten abhängig ist, kann sich nicht an den Schreibtisch setzen, wenn naturnotwendige Arbeiten drängen. Die Saatzeit von Ackerbohnen richtet sich nicht nach Antragsfristen.
Maas sieht ein, dass Buchführung und Steuerangaben Pflicht sind, doch wenn er beginnt, die Details der Antragsstellung für EU-Subventionen zu erklären, bekommt man den Eindruck, als würde er diesen Wildwuchs gerne mit dem Mähdrescher beenden.
So sind die Formulare zur Beantragung der aktuellen Betriebsprämien auf den Höfen eingetroffen. Jetzt geht es um korrektes Ausfüllen der Flächenverzeichnisse, Eintragung in Feldblockkarten sowie um die Überprüfung der verschiedenen normalen und der besonderen Zahlungsansprüche. „Seit ich vor 19 Jahren den Betrieb von meinem Vater übernommen habe, gab es mehrere große Umstellungen der Förderrichtlinien. Jedesmal, wenn man sich an ein neues System gewöhnt hat, wird es abgelöst. Sie bedeuten größere Papierberge und kompliziertere Antragsverfahren. Von den regelmäßig sinkenden Finanzhilfen bleiben deshalb immer größere Anteile in der Verwaltung hängen”, hält Maas mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Dass er ökologisch wirtschafte, mache keinen Unterschied, wenn es um Anträge, Verordnungen und Kontrollen gehe. „Bauer trifft Bürokratie” treffe ihn stärker, weil er vielseitig ist. Er produziert Milch, Eier, Rind- und Schaffleisch und baut Getreide an.
Dieser Tage besuchte eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz den Hof zur Erzeuger- und Packstellenkontrolle der Legehennenhaltung. Ihre Feststellung: Das Druckbild des Eierstempels sei unbefriedigend. Maas: „Der Eierstempel bringt dem Erzeuger etwa soviel Sicherheit für ein Ökoei, wie ein Krokodil auf einem Poloshirt ein Markenprodukt garantiert.”
Entkommen kann Maas der Bürokratie nicht. Seine Daten sind bundesweit unterwegs. Schlachtet er ein Lamm oder ein Rind, muss es zur zentralen Erfassungsstelle in München gemeldet werden. In Frankfurt sitzt die Behörde, die die Einhaltung der Rindfleischettiketierverordnung überwacht. Maas fallen aauf Anhieb acht Behörden ein, mit denen er regelmäßig zu tun hat. „Und ich habe studiert, das macht es für mich einfacher.” Man ahnt es: Andere Kollegen könnten statt eines Knechts einen Verwaltungsfachwirt gebrauchen.
Vielleicht könnten die dann übersetzen, was „Cross Compliance” bedeutet. Hinter diesem Titel verbirgt sich ein rund 200 Seiten starkes Heft, in dem alle EU-Verordnungen aufgelistet sind - eng bedruckt -, die einen Bezug zur Landwirtschaft haben. Maas: „Die Bibel für die Bauern.”
Günter Maas bezweifelt, dass der Papierberg jemals so schrumpft wie der Butterberg, entmutigen lässt er sich nicht. „Dafür macht mir der Beruf zu viel Spaß.”