Essen. . Bei der Entscheidung über den Standort für Essens erste öffentliche Sekundarschule will die SPD im Stadtrat vorpreschen – und sorgt damit für reichlich Ärger. „Voreilig“, „unnötig“, „zum falschen Zeitpunkt“, „wenig hilfreich“ heißt es parteiübergreifend zum Vorstoß.

Bei der Frage, wo Essens erste öffentliche Sekundarschule entstehen soll, will die SPD aufs Tempo drücken. So soll der Stadtrat bereits am kommenden Mittwoch darüber entscheiden, ob – wie die Sozialdemokraten es fordern – die Verwaltung beauftragt wird, „zur Stärkung der Bildungsinfrastruktur im Stadtbezirk VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) die Voraussetzungen zur Errichtung einer Sekundarschule zu schaffen“.

Dieser Antrag aber sorgt für merklichen Unmut bei den anderen Ratsfraktionen und der Schulverwaltung. „Voreilig“, „unnötig“, „zum falschen Zeitpunkt“, „wenig hilfreich“ heißt es parteiübergreifend zum SPD-Vorstoß. Zumal die Genossen bereits konkrete Vorschläge zu einem möglichen Standort im Stadtrat abgesegnet sehen möchten: So seien in die Planung die auslaufende Richard-Schirrmann-Realschule, die Franz-Dinnendahl-Realschule und „die in der Nähe der Richard-Schirrmann-Realschule gelegenen weiterführenden Schulen einzubeziehen“.

Optionen schaffen

Damit aber geht der Ärger richtig los: Die Richard-Schirrmann-Schule gegenüber von Zeche Zollverein soll als Dependance der Dinnendahl-Realschule in Kray weitergeführt werden, um zunächst den Schulstandort zu sichern. Dass eine Filial-Lösung zehn Kilometer vom Mutterhaus entfernt, auf Dauer keine Zukunft hat, steht für Essens Schulpolitiker zweifelsfrei fest. Auch an anderer Stelle im Stadtgebiet will sich Schuldezernent Peter Renzel die Chance offenhalten, einen Schulstandort zu entwickeln: So wird die Bezirksvertretung II am 24. Mai darüber informiert, dass die Gesamtschule Süd an der Frankenstraße „spätestens mit Beendigung des Schuljahres 2019/20 endgültig aufgelöst wird“, der Schulstandort aber „eine besondere Bedeutung hat“ und in die Planung „zur Weiterentwicklung der Schullandschaft“ in Essen einbezogen wird. In beiden Fällen geht es der Stadt um Optionen.

Schulverwaltung arbeitet mit Hochdruck

Denn wie Essens Schullandschaft künftig aussehen soll, vor allem wo, wie und wann eine Sekundarschule zwischen Karnap und Kettwig an den Start geschoben wird, daran arbeitet die Schulverwaltung derzeit mit Hochdruck. Sie sucht dabei eine Lösung im Konsens, eine, die von Lehrern und Eltern mitgetragen, ja, mitgestaltet wird, die sich mit der Nachfrage deckt. „Am besten wäre es, die Idee einer Sekundarschule würde aus den Schulen heraus entwickelt“, lautet das Credo bei den Schulexperten im Gildehof-Center. Wie es daneben um den Elternwillen steht, will die Stadt bei einer schulneutralen Befragung klären. Bereits am 13. Juni sollen dem Schulausschuss erste Entwürfe, erste Verfahrensschritte vorgestellt werden.

„Warum also jetzt diese unnötige Eile?“, fragt beispielsweise Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger: „So sehr wir den Wunsch der SPD auch inhaltlich teilen, in Essen eine Sekundarschule zu errichten, aber warum warten wir nicht das Gesamtkonzept ab, und entscheiden dann in Ruhe?“ Das Thema sei definitiv nicht geeignet, zu polarisieren, „ich weiß nicht, warum die SPD zu diesem Zeitpunkt eine Kampfabstimmung anstrebt“. Wie sich die Grünen im Rat dabei verhalten werden, „das werden wir am Montag auf der Fraktionssitzung klären“.

Kein Bedarf für eine Sekundarschule

Deutlicher wird Hans-Peter Leymann-Kurtz für die Linken in seiner Ablehnung: „Den SPD-Antrag werden wir auf keinen Fall unterstützen. Wir werden an diesem Standort keine Sekundarschule mittragen, weil sie nur die nahe Gustav-Heinemann-Gesamtschule unter Druck setzen würde. Wir sehen für eine Sekundarschule in Essen auch keinen Bedarf. Es wäre weitaus sinnvoller, unsere vorhandenen Gesamtschulen weiter zu entwickeln. Wir haben bei sinkenden Schülerzahlen genug Schulangebote.“ Und Janina Herff, schulpolitische Sprecherin der Fraktion, ergänzt: „Ich will doch erst einmal wissen, wie sich denn der Elternwille formuliert.“

Ein Schnellschuss

Die CDU winkt ebenfalls ab: „Das ist genau das, was wir nicht haben wollen: Einen Schnellschuss, der eine Sekundarschule von oben herab installiert“, sagt Ekkehard Witthoff, Sprecher im Schulausschuss. Selbst FDP-Chef Hans-Peter Schöneweiß, als Liberaler ohnehin kein Freund von Sekundarschulen, hält der SPD „leichsinniges, fast schon sträfliches Verhalten“ vor: „Wir werden uns ohne ein Gesamtkonzept auf keinen Schulstandort festlegen, das ist mal sicher.“ Auch für die EBB steht fest: „Eine unsinnige Eile, eine Sekundarschule muss sorgfältig vorbereitet werden“, sagt Ratsfrau Cornelia Kapteina-Frank. „Wer sagt mir denn, ob die Richard-Schirrmann-Schule tatsächlich ein geeigneter Standort wäre.“

Das wiederum steht für die SPD zweifelsfrei fest: „Wir brauchen ein gutes Schulangebot für den Stadtbezirk VI, eine Sekundarschule ist da eine sehr gute Option“, begründet Manfred Reimer für die Fraktion. „Die CDU dagegen will abwarten und hoffen, das alles schon gut wird.“ Das wäre, finden in diesem Fall die anderen Ratsfraktionen, tatsächlich mal der bessere Weg.