Essen. . Zu viele Schulgebäude, zu wenige Schüler: Mehr als ein Drittel der Realschulen in Essen hatten am Stichtag zu geringe Anmeldezahlen, auch die Gesamtschulen gerät aus dem Fokus des Interesses. Warum die Stadt ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.
40 Jahre nach der Einführung von Gesamtschulen in Essen steht eins der acht Häuser, die Gesamtschule Süd, vor der langfristigen Schließung. Die Schule darf im kommenden Schuljahr keine Eingangsklassen bilden. Damit „läuft sie aus“, wie Fachleute sagen. Die Schule ist übrigens soeben erst mit 1,3 Millionen Euro aus dem „Konjunkturpaket“ baulich aufgepäppelt worden.
Neu ist auch, dass es insgesamt weniger Anmeldungen als freie Plätze an Gesamtschulen gab. Das hat die Schulverwaltung überrascht, um nicht zu sagen: geschockt. Denn während alle über künftige Sekundarschulen nachdenken, die in der Regel aus Haupt- und Realschulen gebildet werden sollen, geriet die Gesamtschule offenbar aus dem Fokus des Interesses – obwohl die erheblichen Unterschiede bei der Beliebtheit der Gesamtschulen schon immer eklatant waren.
Städte können „Schulentwicklungspläne“ aufstellen
Doch weil Schüler Jahre lang bequem umverteilt werden konnten, weg von den überlaufenen Schulen hin zu den weniger gefragten, konnte man alle acht Gesamtschulen über Jahre oder Jahrzehnte betreiben, ohne wirklich etwas tun zu müssen. Das rächt sich jetzt bitter. Nun sind eiligst Gesprächsrunden mit Schulleitern und den Aufsichtsbehörden einberufen worden, es finden Anhörungen statt, während für Schüler, Eltern und Lehrer vieles unklar ist. Nicht nur für die Betroffenen an der Gesamtschule Süd.
Mehr als ein Drittel der Realschulen in Essen hatten am Stichtag zu geringe Anmeldezahlen. Welche Realschule überleben wird, soll in der kommenden Woche feststehen. Schon jetzt steht fest, dass die Diskussion um die Sekundarschulen den Realschulen erheblich schadet und die Eltern verunsichert. Schuldezernent Peter Renzel hat öffentlich erklärt, langfristig sollte man in Essen den Weg „Schritt für Schritt den Weg zu einem zweigliedrigen Schulsystem gehen“. Das sagt eigentlich alles: Gymnasien und Sekundarschulen sollen künftig das gegliederte Schulsystem ausmachen, plus Gesamtschulen. Nicht wenige Realschul-Leiter fragen sich, wo die ganzen Kinder eigentlich bleiben, die kommen könnten. Tja, wo eigentlich?
Städte können „Schulentwicklungspläne“ aufstellen. Sie berücksichtigen Bevölkerungsprognosen, Pendlerströme, Neubaugebiete und die baulichen Zustände von Schulen. „Schulentwicklungspläne“ legen fest, welche Schule wie viele Eingangsklassen bilden kann. Ein „Schulentwicklungsplan“ ist ein verbindlicher Fahrplan für die nächsten Jahre. Er verhindert keinen Rückgang der Geburtenzahlen, aber er gibt allen Beteiligten Planungssicherheit. Für Grundschulen hat es einen solchen „Schulentwicklungsplan“ zuletzt gegeben; die Zahl der Grundschulen wurde planvoll und schrittweise reduziert. Das gab zwar auch Elternproteste, aber immerhin: Die Stadt wusste, was sie tat. Sie agierte, statt zu reagieren.
Andere Kommunen planen längst ohne Hauptschulen
Für weiterführende Schulen gibt es in Essen keinen solchen Plan. Der letzte ist von 1999 und reichte bis 2001. Seitdem wird nur noch reagiert, und zwar immer nur schrittweise, und zwar immer nur dann, wenn es gar nicht mehr anders geht – das erklärt den andauernden Schrecken ohne Ende an den Hauptschulen. Zuletzt gingen noch sechs von ehemals 13 an den Start, um neue Anmeldungen einzusammeln. Das sind, wie man eigentlich weiß, immer noch absurd viele. Andere Kommunen planen längst ohne Hauptschulen.
Vor genau zwei Jahren, im März 2010, beauftragte der Schulausschuss die Verwaltung, einen „Schulentwicklungsplan“ aufzustellen. Bei Nachfragen, die später kamen, wurde immer wieder auf den Herbst 2012 vertröstet. Das ist zu spät, wie sich jetzt zeigt, auch wenn ministeriale Stoßgeburten wie die „Sekundarschule“ den Planern das Leben nicht gerade erleichtern.
Trotzdem. An dieser Stelle sei eine pädagogische Floskel erlaubt: Bei der Planung der weiterführenden Schulen hat die Stadt ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Oder nur zu langsam. Es gibt immer noch zu viele Hauptschulen, es gibt zu viele Realschulen, und jetzt reiben sich alle verwundert die Augen, weil plötzlich feststeht, dass es sogar zu viele Gesamtschulen gibt. Die Lektüre des „Bildungsberichts“, die mit viel Aufwand erstellte Sammlung schulrelevanter Daten vom vergangenen Jahr, hilft da übrigens auch nicht weiter
Wie viel hilft ein „Schulentwicklungsplan“? Vor Jahrzehnten dachte man, alles sei planbar. „Zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt besteht ein erschreckendes Bildungsgefälle, von einer Chancengleichheit der Kinder kann nicht die Rede sein.“ Das sagte Hans-Joachim Bargmann (SPD), der damalige Essener Schuldezernent, im Jahre 1972. Er schuf einen „Schulentwicklungsplan“, der versprach, 50 Jahre zu halten. Ganztagsschulen im Norden sollten das Problem lösen. Geht der Plan auf, frohlockte damals die Wochenzeitung „Zeit“, „wäre Essen überall gleich.“ Davon, das wissen wir heute, sind wir sehr weit entfernt.
Wie viel hilft ein „Schulentwicklungsplan“? Vor Jahrzehnten dachte man, alles sei planbar. „Zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt besteht ein erschreckendes Bildungsgefälle, von einer Chancengleichheit der Kinder kann nicht die Rede sein.“ Das sagte Hans-Joachim Bargmann (SPD), der damalige Essener Schuldezernent, im Jahre 1972. Er schuf einen „Schulentwicklungsplan“, der versprach, 50 Jahre zu halten. Ganztagsschulen im Norden sollten das Problem lösen. Geht der Plan auf, frohlockte damals die Wochenzeitung „Zeit“, „wäre Essen überall gleich.“ Davon, das wissen wir heute, sind wir sehr weit entfernt.