Das Essener Südviertel - ein Kiez und seine Kreativen
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Essen. . Zahlreichen Kneipen und Cafés folgen in jüngster Zeit immer mehr originelle Geschäfte an den Isenbergplatz. Der Ruf des Viertels zieht immer wieder Lebenskünstler an. Sie suchen ihr Glück abseits der Trends, verkaufen Tee, Schmuck, Dekoartikel oder bewirten ihre Kunden in eher ungewöhnlichem Ambiente.
Eigentlich gibt es den Isenbergplatz gar nicht. Zumindest nicht auf dem Stadtplan, nicht in den Internet-Routenplanern oder den Navigationsgeräten. Er ist eine Wortschöpfung der Essener, genauer gesagt der Bewohner des Südviertels.
Denn hier liegt dieser begrünte Platz, umringt von Kneipen und Cafés, unweit des Stadtgartens und der City. Wo die Rellinghauser, Isenbergstraße, Schornstraße, Emilien- und Beethovenstraße aufeinandertreffen, ist vor mehr als 30 Jahren ein alternativer Kiez entstanden, der bis heute eine magnetische Wirkung auf Idealisten hat, die in den kleinen Ladenlokalen rund um den Platz und in den angrenzenden Straßen ihre Träume verwirklichen. Nach zahlreichen Kneipen und Cafés siedeln sich in jüngster Zeit wieder mehr und mehr originelle Geschäfte an.
„Hier kann man sich halt ausprobieren“
Die gab es schon früher – und nicht sind geblieben. Wie etwa einer der ersten Bioläden in der Stadt: Heute ist die Pusteblume Geschichte. Rainer Dohmann hat viele Läden kommen und gehen, viele kreative Konzepte scheitern sehen. Er ist einer derjenigen, die viele Wellen überlebt haben. Sein Second-Hand-Geschäft Positiv ist seit 27 Jahren eine Institution im Viertel. „Hier kann man sich halt ausprobieren“, sagt Rainer Dohmann lakonisch. Die Fluktuation empfindet er nicht als Nachteil: „Das hält unseren Kiez lebendig.“
Und so zieht der Ruf des Viertels immer wieder Lebenskünstler an. Sie suchen ihr Glück abseits der Trends, verkaufen Tee, Schmuck, Dekoartikel oder bewirten ihre Kunden in eher ungewöhnlichem Ambiente.
Junge Mütter, Künstler, Studenten
So wie Nico Baumann, die stolz in ihrer rot-weiß gestrichenen Kantine-Heimwerk an der Von-Seeckt-Straße sitzt und sagt: „Ich gehöre hierhin. Nirgendwo anders hätte ich mein Handarbeitskaffee aufgemacht.“ Handarbeitskaffee klingt jetzt etwas altjüngferlich, ist es aber nicht. „Junge Mütter, Künstler, Studenten aber auch ältere Damen treffen sich zu meinen Maschenpartys. Die Mischung meiner Gäste ist einfach perfekt. Die gibt es nur rund um den Isenbergplatz.“
Auf diese Mischung setzt auch Sabita Sharma. Die 39-Jährige mit indischen und italienischen Wurzeln hat sich gegenüber der Kantine-Heimwerk, im ehemaligen Ladenlokal eines Reformhauses, ihren ganz persönlichen Herzenswunsch erfüllt: Wer das Indigo betritt, gerät unversehens in einen orientalischen Farbenrausch á la 1001 Nacht.
Viele Frauen wagen Schritt in die Eigenständigkeit
„Ich habe meinen Geschenkartikelladen erst im März eröffnet“, erzählt die ehemalige Flugbegleiterin, „und ich bin mit dem Start sehr zufrieden.“ Wenn, dann nur am Isenbergplatz wollte Friseurmeisterin Ute Pietroschka eigentlich ihr Geschäft eröffnen, „weil die Leute, die hier leben, irgendwie anders, besonders sind.“ Nun hat es nicht ganz geklappt, aber „die Von-Seeckt-Straße ist ja um die Ecke.“ Ihr Konzept für den Ein-Frau-Betrieb lautet: ganzheitliche Entschleunigung. „Ich schaue mir den ganzen Menschen an, berate sehr persönlich und nehme mir viel Zeit.“
Überhaupt scheinen im Südviertel eher die Frauen den Schritt in die Eigenständigkeit zu wagen. Amelie Bonnet gehört dazu. Sie hat Tee, Whisky und ein alteingesessenes Maßatelier miteinander kombiniert. Das klingt schon sehr ungewöhnlich.
"Das hat sich so ergeben"
„Das hat sich einfach so ergeben“, erklärt die Deutsch-Französin. Als die langjährigen Besitzer des Ateliers an der Moltkestraße in den Ruhestand gingen, zog sie mit ihrem Teeladen in die eine Hälfte des Ladenlokals, übernahm die Schneiderin und versucht seitdem zu überleben. „Im Südviertel gibt es ja viele etwas außergewöhnliche Geschäfte. Das macht Mut.“
Apropos Mut: Den bewies Conny Risse-Niermann, als sie vor drei Jahren ihr Madame Chocolat eröffnete. Ohne irgendeine Erfahrung im Bereich der Gastronomie schuf sie eine Musikkneipe mit Wohnzimmer-Milieu. In ihrer Madame wird seitdem begeistert geschwoft, gespielt, gequatscht und geknetet. Jawohl, ums Kneten kommt man hier nicht rum. „Meine Gäste fragen schon unaufgefordert danach.“ Und so schmücken die Knetwerke inzwischen Wände und Vitrinen im ehemaligen Bernewäldchen an der Moltkestraße. Dass ihre Kneipe so brummt, wundert sie nicht: „Ich liebe dieses Viertel mit seiner Kiezatmosphäre. Ich wusste sofort, wir passen hier wunderbar hin.“
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