Essen. . Dem Glück der späten Geburt hat es Norbert Kassen zu verdanken, dass er als erster seiner Familie zum Gymnasium gehen und später Jura studieren durfte. Der ältere Bruder hatte diese Chance nicht. Er musste eine Lehre machen, um den väterlichen Malerbetrieb zu übernehmen. 65 Jahre nach der Geburt von Norbert Kassen endet jetzt der durch die Ausbildung geprägte Lebensabschnitt: Der Präsident des Essener Amtsgerichtes geht in den Ruhestand.
Der in Oberhausen lebende überzeugte Ruhrgebietler Norbert Kassen blickt zufrieden auf sein Berufsleben zurück, bedauert nur eines: dass er nicht schon viel früher an das Essener Gericht kam. Als er im März 2008 wechselte, fühlte er sich sofort gut aufgenommen. Er selbst lobt die personelle Besetzung als angenehm: „Hier arbeiten engagierte und sehr tüchtige Kollegen. Ich werde das alles vermissen.“
Ruhrgebietsleben der klassischen Art
Auf ein Ruhrgebietsleben der klassischen Art blickt er zurück. Geboren und aufgewachsen in Oberhausen lebt er noch heute dort. Auch seine beiden erwachsenen Söhne sind der Stadt treu geblieben. Typisch seien ihre Geschenke zu seinem 65. Geburtstag gewesen: „Eine Fahrt mit dem Schiff über den Rhein-Herne-Kanal von Henrichenburg bis zur Oberhausener Marina und ein Hörbuch mit Rundgängen durch das Ruhrgebiet.“ Selbst die Liebe zu Rot-Weiß Oberhausen, die ja zurzeit viel Leidensfähigkeit erfordert, hätte er weitergegeben, erzählt Kassen: „Meinen Jüngsten habe ich mit zu RWO genommen, und er geht mittlerweile mit seiner dreijährigen Tochter ins Stadion.“
Nach über 41 Jahren Berufsleben in den Ruhestand zu gehen, ist für ihn „ein angenehmer Gedanke“. Auch wenn er keines der klassischen Hobbys hat. „Zeitung lesen“, fällt ihm zu diesem Stichwort ein. Die WAZ gehörte schon in seinem Elternhaus „zum Frühstück“ dazu, und das hat sich bis heute nicht geändert. Dreieinhalb Stunden pro Tag widmet er der Lektüre verschiedener Zeitungen, einige davon mittlerweile online am Computer.
In den Freistunden zum Amtsgericht
Jura war für ihn schon früh als Studienfach klar. Seine Penne lag nah am Amtsgericht, da setzte er sich in Freistunden, so erzählt er, in Prozesse, hörte zu: „Das war spannend.“ Nach dem Studium in Bochum und Münster warb ihn der Duisburger Landgerichtsdirektor kurz vor dem Examen an: „In zwei Wochen fangen Sie an!“ Das war Anfang der 70er Jahre einfach so, wertet Kassen sich gar nicht erst auf: „Die brauchten Richter.“ Und so gerne er als Richter Fälle klärte und Prozesse entschied, irgendwann entdeckte er auch die Lust an der Organisation einer Behörde. Seit 1992 leitete er als Direktor erst das Amtsgericht Oberhausen, dann das in Duisburg.
Wer mit Norbert Kassen über dessen Leben spricht, wird von ihm immer wieder abgelenkt. Dann redet er freudestrahlend über die jungen Richter, die aktuell zur Weiterbildung an andere Behörden delegiert wurden, wie sie gefördert werden sollten, wie Familie und Beruf unter einen Hut gebracht werden können. Auch dass Juristen mit Migrationshintergrund verstärkt in der staatlichen Justiz ankommen, ist ihm ein Wort wert: „Das ist positiv, denn sie sind Teil der Gesellschaft.“