Bad Godesberg. Das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg hat einen hervorragenden Ruf. In der privaten Jesuitenschule werden nicht nur gute Leistungen, sondern auch traditionelle Werte hoch gehalten. Ehemalige Schüler schafften es bis in Schlüsselpositionen.

Was geht wohl in einem Jungen vor, der mit zehn oder elf Jahren zum ersten Mal durch das Holzportal in die Eingangshalle der „Stella“ tritt? Sein Blick wandert zur stuckverzierten Kuppel empor, unter der ein gewaltiger Kronleuchter hängt. Dann schaut er sich um, sieht alte Gemälde in goldenen Rahmen, mittelalterliche Heiligenfiguren, Rüstungen und einen Kamin aus Marmor. Durch das hohe Bogenfenster blickt er bis hinunter ins Rheintal. Bei gutem Wetter ist in der Ferne der Drachenfels zu sehen. Vielleicht ist der Junge eingeschüchtert bei dem Gedanken, hier die nächsten Jahre seines Lebens zu verbringen. Vielleicht erfüllen ihn aber auch Ehrfurcht und ein wenig Stolz.

Matthias Ebade, Franziska Weyer und Johannes Fritzen (v.l.) besuchen die Oberstufe des Aloisiuskollegs. Foto: Melanie Bergs
Matthias Ebade, Franziska Weyer und Johannes Fritzen (v.l.) besuchen die Oberstufe des Aloisiuskollegs. Foto: Melanie Bergs

Franziska, Johannes und Matthias wirken immer noch beeindruckt. Dabei sind die drei schon in der Oberstufe des Aloisiuskollegs in Bad Godesberg. Wenn sie Besucher über das Gelände des Internats führen, gehört die „Stella“ zu den Höhepunkten. In der Villa, Ende des 19. Jahrhunderts von einem Bankier erbaut, wohnen die Jungen der Unter- und Mittelstufe. „Einige der Gemälde hier sind Millionen wert“, sagt Matthias.

Handys verboten

Der äußere Prunk steht im Gegensatz zum eher bescheidenen Leben, das die Internatsschüler führen. Gerade in der Unterstufe sind sie strengen Regeln unterworfen. „Handys, ein eigener Computer und Musik sind verboten“, erklärt Matthias. „Man darf einmal in der Woche das Internat verlassen, für eine Stunde.“ Die meisten Jungen schlafen in Zwei- bis Achtbettzimmern. Es gibt Gemeinschaftsduschen und Studierzimmer, in denen die Schüler jeden Tag zwei Stunden ihre Hausaufgaben machen. Schnell wird klar: Hier geht es nicht um das Verhätscheln reicher Sprösslinge, sondern um die Vermittlung traditioneller Tugenden wie Disziplin, Bescheidenheit und Fleiß.

Internatsschüler vor dem
Internatsschüler vor dem "Jägerhaus", dem Wohnhaus der Oberstufe. Fotos: Punktum PR

Damit kommt das Jesuitenkolleg mit seiner über hundertjährigen Geschichte gleich zwei Bildungstrends der jüngeren Zeit entgegen: der Wiederentdeckung alter Werte und der Flucht vieler Eltern aus dem staatlichen Bildungssystem. Fast jede Woche wird in Deutschland eine neue Privatschule gegründet. Und Privatschulen sind längst nicht mehr nur etwas für den Geldadel. Eltern aus der Mittelschicht bringen immer mehr Opfer, um ihren Kindern die Ausbildung in einer privaten Einrichtung zu ermöglichen.

Viertbeste Schule Deutschlands

Ein Internatsplatz am Aloisiuskolleg kostet 14.400 Euro pro Jahr, plus 900 Euro Solidarbeitrag. Dieser fließt unter anderem in den Sozialfonds, aus dem Stipendien für Kinder aus ärmeren Familien bezahlt werden. „Etwa 30 Prozent unserer Internatsschüler werden unterstützt“, sagt Internatsleiter Christopher Haep. Der Besuch der Schule des Jesuitenkollegs ist dagegen kostenlos. Für 170 Euro im Monat können die Externen auch das Ganztagsangebot bis 17 Uhr mit Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Freizeitprogramm nutzen.

Schüler des Kollegs bei der Gartenarbeit: Gesiebt wird auch nach sozialer Kompetenz.
Schüler des Kollegs bei der Gartenarbeit: Gesiebt wird auch nach sozialer Kompetenz.

Das Aloisiuskolleg hat einen hervorragenden Ruf. In einem Ranking des Wirtschaftsmagazins „Capital“ wurde das Internat zur viertbesten Schule Deutschlands gekürt. Die Schüler kommen aus dem ganzen Land. Auf 75 Plätze haben sich in diesem Jahr 220 Mädchen und Jungen beworben. Wer aufgenommen werden möchte, muss ein Vorstellungsgespräch bestehen. Gesiebt wird nicht nur nach guten Leistungen, sondern auch nach sozialer Kompetenz. „Wir wollen niemanden, der eine Kaderschmiede sucht oder nur kommt, weil sich eine Jesuitenschule gut im Lebenslauf macht“, sagt Haep. Das Wort Elite hört man hier ohnehin nicht gern. „Excellenz in Leistung und Ethik“ steht vielmehr auf der Werbebroschüre des Internats geschrieben.

Im Geiste der Jesuiten

„Das soziale und religiöse Element spielt in unserer Erziehung eine zentrale Rolle“, sagt Haep. Der Geist der Jesuiten, jenes Ordens der sich seit dem 16. Jahrhundert der humanistischen Bildung verschrieben hat, ist allgegenwärtig. Auch wenn heute nur noch acht Patres im Internat leben und nur noch drei als Lehrer tätig sind. Religionsunterricht bis zum Abitur, regelmäßige Gottesdienste in der Internatskirche und Exerzitien im Kloster sind Pflicht. In der 11. Klasse machen die Schüler ein fünfwöchiges Sozialpraktikum im Krankenhaus, in der Altenpflege oder im Behindertenheim. Soziales Engagement, etwa als Mentor für jüngere Schüler oder als Sanitäter, wird hoch angesehen. „Wenn ein Schüler unser Kolleg verlässt, muss er in der Lage sein, für sich und die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“, sagt Schuldirektor Bernhard Wißmann. Dazu gehöre auch, dass sich die Schüler später einmal öffentlich einbringen, vielleicht sogar Ämter übernehmen.

Gottesdienst in der Krypta.
Gottesdienst in der Krypta.

Das Kolleg kann einige ehemalige Schüler vorweisen, die es bis an die Spitze in Politik, Wirtschaft oder Medien geschafft haben. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière etwa oder den ZDF-Moderator Johannes B. Kerner. 3500 dieser sogenannten Altschüler sind im Ehemaligenverein der Schule. „Wir haben eine ganze Reihe von Schülern aus Traditionsfamilien, die ihre Kinder teilweise schon in der dritten Generation zu uns schicken“, sagt Direktor Wißmann. Im Laufe der Jahrzehnte ist ein Kontakt-Netzwerk entstanden. Ein Fundus, aus dem der Nachwuchs des Kollegs vor allem beim Einstieg in den Beruf schöpfen kann.

"René Obermann ist richtig nett"

Mehrmals im Jahr kommen Gastreferenten ans Kolleg, die den Schülern der 12. und 13. Klassen ihren Beruf vorstellen. Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio gibt Einblicke in die Arbeit eines Juristen. Moderator Stefan Raab plaudert über die Medienwelt. Im Anschluss an die Vorträge können die Schüler in kleinen Gruppen mit den Referenten sprechen und Praktika vereinbaren. Vor kurzem war auch Telekom-Chef René Obermann da. „Ein richtig netter Kerl“, fand Johannes. „Der kam gar nicht so chefig rüber. Er hat all unsere Fragen geduldig beantwortet.“

Schüler in der Mensa des Aloisiuskollegs.
Schüler in der Mensa des Aloisiuskollegs.

Noch wissen Franziska, Johannes und Matthias nicht genau, was sie später einmal machen wollen. Franziska interessiert sich für Architektur, Matthias kann sich „irgendwas mit Wirtschaft“ vorstellen. Während sie mit der Besucherin durch den weitläufigen Park des Internats schlendern, vorbei an Rhododendron- und Rosenbüschen, vorbei an Tennis- und Fußballplätzen, erzählen sie von den Vorzügen des Internatslebens. Franziska findet es gut, dass sie rund um die Uhr mit Freunden zusammen sein kann. Johannes lobt den engen Kontakt zu den Lehrern. „Die interessieren sich richtig für uns. Das war an der öffentlichen Schule, wo ich zuerst war, ganz anders“, sagt er. „Hier sind viele Lehrer aus Überzeugung.“

"Wir hatten eine geile Zeit"

Manchmal hadern sie mit dem strikten Tagesablauf und den strengen Regeln. „Doch so lange man im vorgegebenen Rahmen bleibt, bekommt man keine Probleme“, sagt Johannes. Probleme gibt’s, wenn ein Schüler unangemeldet im Mädchenhaus auftaucht, dauernd zu spät kommt oder zuviel getrunken hat. Die Strafen reichen von Laubfegen bis Hausarrest.

13 Uhr ist Essenszeit. Vor der Mensa steht schon eine Schlange. Eine Erzieherin kontrolliert, ob die Schüler ihre Stoffservietten dabei haben. Das gehört auch zu den Regeln. Beim Essen sprechen die Schüler über ihre Pläne fürs Wochenende. Franziska möchte mit einer Betreuerin und anderen Mädchen zelten. Einmal in der Woche dürfen die Oberstufen-Schüler abends ausgehen: Samstags bis 23.30 Uhr. Fahren sie dann nach Bonn? „Nein, das lohnt sich nicht“, sagt Johannes. Bad Godesberg muss reichen. Wollen sie nicht in Discos gehen? Fragende Gesichter. Vermissen sie nichts? Kopfschütteln. „In zehn Jahren werden wir uns erinnern“, sagt Matthias. „Und dann werden wir sagen: ‚Wir hatten eine geile Zeit’.“

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