Essen-Frohnhausen. . Schüler der Realschule Essen-West führen Schulklassen aus dem gesamten Ruhrgebiet durch eine Ausstellung, die von dem wohl berühmtesten Opfer der Nationalsozialisten handelt.
Ein wenig nervös schauen sich Debby und Jessica an. Wer soll den Anfang machen? Dann fasst sich Debby ein Herz: „Weshalb wurdet Ihr schon mal diskriminiert?“ fragt sie die Schüler. Diese zögern erst und geben dann preis: Wegen seiner Hautfarbe, sagt einer, weil er neu in der Klasse war, ein anderer. „Anne Frank wurde diskriminiert, weil sie Jüdin war“, erläutert dann Jessica. Sie und Debby gehören zu den Schülern der Realschule Essen-West, die zu Begleitern durch die Anne-Frank-Ausstellung im Kunstraum Notkirche ausgebildet wurden.
Die Beschäftigung mit dem berühmten jüdischen Mädchen, das 1945 von den Nazis im Konzentrationslager umgebracht wurde, gehört wohl in den allermeisten Schulen zum Standardstoff. Die Art und Weise, wie es die Realschule-Essen West nun tut, ist jedoch besonders: Das Berliner Anna-Frank-Zentrum hat 30 Freiwillige ausgebildet, damit diese Gleichaltrigen die Wanderausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ nahebringen können.
Dabei leisten die Essener Schüler echte Pionierarbeit, denn die Apostelnotkirche ist die erste öffentliche Station, nachdem die Schau am 19. Januar in Deutschen Bundestag ihre Premiere feierte – damit sind sie die ersten, die andere Schulklassen durch die Ausstellung führen.
Ruhige Klassen
„Am Anfang ist man schon meistens nervös“, räumt Jessica ein. „Man weiß ja nie, wie die anderen Schüler reagieren.“ Doch bisher seien die meisten hinterher voll des Lobes gewesen, freut sich die 14-Jährige und präsentiert stolz das Gästebuch, in dem andere Schüler ihre Eindrücke von den Führungen wiedergegeben haben. „Ihr habt das super gemacht“, steht da zum Beispiel , oder „Danke dafür, dass wir so viel gelernt haben.“
Klar, dass Debby und Jessica sich darüber freuen, aber, so räumen sie ein, zum Glück haben es die Ausstellungsbesucher ihnen nicht allzu schwer gemacht:„Eigentlich sind die Klassen recht ruhig, aber wenn mal doch jemand stört, ermahnen wir sie, damit aufzuhören“, so Debby, „und meistens klappt’s.“
Kleine Handreichungen
Vanessa Schledorn ist jedenfalls begeistert von dem jungen Duo und der Idee, die hinter dem Projekt steckt: „Die Schüler zeigen doch eine ganz andere Akzeptanz, wenn sie andere Schüler durch so eine Ausstellung führen“, meint die Biologielehrerin des Duisburger Landfermann-Gymnasiums. „Wir Lehrer sind für sie doch viel weiter weg von ihrer Lebenswirklichkeit als Gleichaltrige.“
Damit die jungen Ausstellungsführer den Stoff, den sie vermitteln sollen, auch nicht vergessen, wurden sie vom Anne-Frank-Zentrum mit kleinen Büchern, sogenannten Handreichungen mit Erläuterungen zu allen wichtigen Stationen der Ausstellung, ausgestattet „Da muss ich aber selten hineinschauen“, freut sich Jessica. „Nur die Fragen, die wir den Schülern stellen müssen, lese ich meistens vor.“
Enorm viel Selbstvertrauen
Nicht zuletzt, um den Schülern den Zugang zu der Thematik zu erleichtern, greift die Ausstellung nicht nur das Leben von Anne Frank auf, sondern schafft auch Bezüge zur Gegenwart und lässt sich die Schüler mit Situationen auseinandersetzten, in denen heute Diskriminierungen vorkommen.
Ganze zwei Stunden dauert die Führung durch die Ausstellung -- und die beiden Begleiterinnen schlagen sich wieder einmal prima, beantworten auch viele Fragen. „Wenn man mal etwas nicht weiß, hilft auch mal ein Lehrer -- oder man muss die Frage mal zurückstellen“, so Jessica. Aber nach sieben Führungen, die sie in den letzten Wochen bereits gegeben hat, sind die Mädchen bereits echte Profis.
„Wir wissen jetzt viel mehr über Anne Frank“, resümiert Debby. „Und wir sind nicht mehr so schüchtern.“ Das bestätigt die Konrektorin Rita Numsen-Williams: „Die Schüler, die bei diesem Projekt mitmachen, haben enorm an Selbstvertrauen gewonnen.“