Essen. . Ein Jahr nach dem massiven Einschreiten gegen den Rauschgifthandel in Altendorf setzt die Polizei auf eine neue Strategie: „Platzverweise auf Zeit“ sollen Kriminellen das Leben möglichst schwer machen. Wer sich nicht daran hält und erwischt wird, dem droht ein Zwangsgeld von bis zu 500 Euro. Wer nicht zahlt, wandert in Haft.

Was einst den unerwünschten Drogentourismus am Hauptbahnhof unterbunden hat, soll jetzt auch gegen Dealer Wirkung zeigen: Mit Aufenthaltsverboten baut die Polizei ab sofort mehr Druck gegen die Rauschgifthändler auf, die in Altendorf und am Berliner Platz ihre kriminellen Geschäfte abwickeln.

Wie Essens oberster Drogenfahnder Dieter Stahlke in einem Gespräch mit der NRZ berichtete, habe sich die Essener Behörde zu solchen „Platzverweisen auf Zeit“ durchgerungen, um den Kriminellen das Leben möglichst schnell möglichst schwer zu machen. Und das lange bevor ein beweissicheres Gerichtsverfahren überhaupt in Gang kommt: Wer bei Straftaten beobachtet wird, kann sogleich mit einem „polizeirechtlichen Bann“ belegt werden, der für die Dauer von Monaten den Aufenthalt in bestimmten Straßenzügen untersagt. Wer sich nicht daran hält und erwischt wird, dem droht ein Zwangsgeld von bis zu 500 Euro. Wer nicht zahlt, wandert in Haft. Dieses Vorgehen sieht das Polizeirecht unter Bedingungen ausdrücklich vor, so Stahlke, der hofft, dass die Offensive Eindruck macht: „Wir müssen uns immer was Neues einfallen lassen.“

Juristisch schwer nachweisbar

Die Dealer tun’s auch: Nachdem die Polizei nach Bürgerbeschwerden den Druck auf die Altendorfer Szene massiv erhöht hatte, tauchten die Rauschgifthändler die Münder voller Heroinpäckchen zum Preis von zehn bis 15 Euro das Gramm in die U-Bahn am Berliner Platz ab. In diesem „Fuchsbau“, sagt Stahlke, ist ihnen noch schwerer beizukommen. Sie sind vorsichtiger geworden, haben ihre Späher, die sie vor der Polizei warnen. Droht Gefahr, verschwinden sie mit der nächsten Bahn. Und ihre Drogenverkäufe, die wickeln sie dann einem Ort irgendwo in der Stadt ab, nachdem ihnen die Kunden oft mehrere hundert Meter in unverdächtigem Abstand gefolgt sind. Da wird der juristisch wasserdichte Nachweis eines Rauschgiftdeals zum Glücksfall.

Vor fast genau einem Jahr hat eine Ermittlungskommission mit Unterstützung der Einsatzhundertschaft und der Besatzung des Schutzbereichs vor Ort damit begonnen, in Altendorf durchzugreifen. 650 Strafanzeigen wurden seitdem geschrieben und 18 Drogendealer hinter Gitter gebracht, die in einschlägigen Geschäften des Stadtteils das Heroin an den Mann oder die Frau gebracht hatten.

Ausnahmslos waren es Schwarzafrikaner, die zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und zweieinhalb Jahren verurteilt wurden. Und inzwischen, meint Stahlke, „scheint Altendorf optisch beruhigt“, auch wenn andere Verkäufer nachwuchsen, kaum, dass die ersten Drogendealer hinter Schloss und Riegel sagen. Doch die „Neuen“ waren vorgewarnt und wanderten in die U-Bahn ab. Sie sind oft jünger als 21 Jahre und unterliegen dem Jugendstrafrecht, „das macht die Sache vor Gericht nicht gerade einfacher“.

Niedergang des Wohnungsmarktes

Dass Konsumenten und Verkäufer sich ausgerechnet in Altendorf die Klinke und so manchen Bobbel in die Hand gaben, war dem Niedergang des dortigen Wohnungsmarktes geschuldet, meint Stahlke. Um noch längere Leerstände zu vermeiden, haben Besitzer von Wohnungen, die nur schwer zu vermitteln waren, „wohl nicht so genau hingeschaut“, wenn sie an Drogensüchtige nach der Haftentlassung vermieteten. Die Händler folgten ihnen auf dem Fuß.

„Viele unserer Klienten wohnen in Altendorf“, bestätigt Bärbel Marrziniak von der Essener Suchthilfe, an deren Drogenkonsumraum die jüngsten Entwicklungen in der Szene ebenfalls nicht spurlos vorüber gegangen sind. Als sich die Konsumenten quasi vor der Haustür in Altendorf mit Drogen versorgen konnten, nahmen sie den Weg zur Hoffnungstraße nicht mehr auf sich, um sich den Stoff dort unter hygienischen Bedingungen und medizinischer Aufsicht zu verabreichen: Die Zahlen der Nutzer erlitten einen deutlichen Einbruch pendelten sich erst in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres aber auf Normalniveau ein. Denn jetzt versorgen sich die Junkies wieder citynah.