Essen. . Der Essener Moses Morakinyo ist blind und arbeitet als Masseur im Gelsenkirchener Reha-Zentrum Medicos - ganz in der Nähe seines Lieblingsvereins - dem FC Schalke 04. „Der Mensch hat noch viele andere Sinne, die er benutzen kann, wenn einer wegfällt“, sagt er lächelnd.
Auf Mitleid legt Moses Morakinyo keinen Wert. Lieber ist ihm, wenn Patienten ihm nach einer Massage bescheinigen, dass er „magische Hände“ habe und die Beschwerden einer Sportverletzung lindern konnte. Als ausgebildeter Masseur beim ambulanten Rehabilitations- und Gesundheitszentrum Medicos auf Schalke in Gelsenkirchen ist sein Tastsinn sein Kapital – denn Morakinyo ist blind.
Bis zu seiner Festanstellung war es für den aus Nigeria stammenden Essener ein mühseliger Weg. Geebnet hat ihn eine Serie von Weiterbildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit, gehen musste der 41-Jährige ihn selbst. Und das war kein Spaziergang. Denn bis vor einigen Jahren konnte der ehemals begeisterte Hobby-Kicker noch normal sehen. „2000 fing es an“, erzählt er. „Dann wurde meine Sehkraft immer schlechter, und seit 2003 kann ich nur noch ein wenig Farbe erkennen.“ Es folgten zwei Laser-Operationen – vergeblich. Die Erblindung war nicht mehr aufzuhalten.
Jammern will er nicht
Unglücklich wirkt er heute trotzdem nicht. „Der Mensch hat noch viele andere Sinne, die er benutzen kann, wenn einer wegfällt“, sagt er lächelnd. Natürlich habe er viel kämpfen müssen. Aber das sei doch besser als jammern. Heute interessiert sich der 41-Jährige immer noch für Fußball und genießt die Nähe zu seinem Lieblingsverein Schalke 04. Von seinem Arbeitsplatz aus kann er den Stadionlärm hören, dann ist es manchmal ein bisschen wie früher.
Seit 1992 lebt der Afrikaner in Deutschland und ging schon unterschiedlichsten Beschäftigungen etwa als Kellner oder Lagerist nach. Die Augenkrankheit hatte sein Leben auf den Kopf gestellt. Im Berufsförderungswerk in Düren, mit dem die Essener Agentur für Arbeit eng kooperiert, lernte Morakinyo schrittweise, mit der neuen Situation umzugehen. Wie bewegt man sich als Blinder im Straßenverkehr? Wie orientiert man sich? „Menschen, die von Geburt an blind sind, fällt das wohl leichter“, vermutet er. Schnell fiel in Düren sein gelassenes Wesen im Umgang mit Menschen und seine Fingerfertigkeit auf. Eine Umschulung zum Masseur schien naheliegend.
Über ein Jahr hat er einen Arbeitgeber gesucht
Tatsächlich absolvierte Morakinyo dann eine entsprechende Ausbildung in Mainz und bestand die Prüfung mit Bravour. Zurück in Essen galt es nun, potenzielle Arbeitgeber von den Qualitäten eines Schwerbehinderten zu überzeugen. „Ich habe über ein Jahr gesucht“, sagt er rückblickend. Bis die zuständige Intergrationsbeauftragte des Landschaftsverbandes Rheinland den Kontakt zu Medicos herstellte. Morakinyo bewarb sich – und wurde eingeladen. „Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, was dafür spricht, Herrn Morakinyo einzustellen“, sagt Holger Just, Leiter der Abteilung Therapie bei Medicos. „Das war in erster Linie seine hervorragende Qualifikation.“
So wurde aus einer dreimonatigen Probebeschäftigung, die von der Agentur für Arbeit gefördert wurde, eine unbefristete Festanstellung. „Der ist dort eingeschlagen wie eine Bombe“, bringt es Michael Hendricks, Reha-Beauftragter bei der Arbeitsagentur, auf den Punkt. „Wir möchten uns mit diesem Erfolg gar nicht schmücken. Aber Herr Morakinyo ist das beste Beispiel, dass Schwerbehinderte sehr wohl in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Zum Glück sind wir städteübergreifend vernetzt.“
Große Hilfsbereitschaft
Gewisse Rahmenbedingungen hat Medicos bereits geschaffen, damit Morakinyo so selbstständig wie möglich arbeiten kann. So wurde ihm etwa ein fester Raum zugeteilt, den er ständig nutzen kann, um ihm Orientierungsprobleme zu ersparen. Zurzeit ruft noch eine Hilfskraft die Patienten auf, doch geplant ist die Anschaffung eines Sprachcomputers, damit der Masseur künftig auch diesen Teil des Jobs allein bewältigen kann. Behandeln die Menschen ihn wie ein rohes Ei? „Es wird immer behauptet, Deutschland sei schlecht. Das habe ich noch nicht bemerkt“, sagt der Nigerianer. Die Hilfsbereitschaft der Menschen im Ruhrgebiet sei groß und man behandele ihn mit Respekt.
Michael Hendricks wünscht sich, dass Morakinyos Beispiel Schule macht. So suchten im Dezember vergangenen Jahres 2089 von 80.000 Schwerbehinderten in Essen einen Job – 197 mehr als im Vorjahr. Die Beschäftigungsquote liegt unter vier Prozent. „Bei den Arbeitgebern findet langsam ein Umdenken statt, aber da passiert immer noch zu wenig“, so Hendricks. Die Anstellung eines Schwerbehinderten bringe auch ein positives Klima in den Betrieb, da Mitarbeiter gezwungen seien, Rücksicht zu nehmen und mehr miteinander zu kommunizieren.„Das ist kein Sozialgeplapper. In der Regel sind Arbeitgeber später überzeugt.“