Essen. . Nach dem Scheitern der Rot-Grünen Minderheitsregierung muss NRW am 13. Mai neu wählen. Wir haben Essener Bürger nach ihrer Meinung gefragt: Überraschendes Ereignis oder absehbare Notwendigkeit? Wie zufrieden waren Bürger mit Rot-Grün, was erhoffen sie sich von der Neuwahl?

Alles auf Anfang heißt es (allenfalls politisch) für das Land Nordrhein-Westfalen, dessen rot-grüne Minderheitsregierung nach nur knapp zwei Jahren endete: Am vergangenen Mittwoch musste diese nach den Haushaltsverhandlungen über den NRW-Etat 2012 für gescheitert erklärt werden. Und nach der anschließenden Auflösung des Parlaments müssen jetzt die Wähler neu entscheiden – bei den NRW-Landtagswahlen am 13. Mai.

„Kraft hätte mit einer Mehrheit besser regiert“

„Ich hab mir das schon gedacht“, antwortet Astrid S. aus Rüttenscheid. „Aber ich finde es gut, all’ die Parteien waren sich ja nie wirklich einig“, schiebt sie hinterher. Vor allem von so manchem (nicht durchgebrachten) Gesetzesentwurf wie zum Thema Kindergärten sei die ausgebildete Erzieherin sehr enttäuscht – und setzt ihre Hoffnung in eine neu gewählte, vor allem konforme Landesregierung.

Dass NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit einer Mehrheit „besser regiert hätte“, meint auch Dieter Raufeisen. Zu den Neuwahlen sagt er: „Das musste ja so kommen. Mit einer Minderheitsregierung lässt es sich eben mehr schlecht als recht regieren.“ Kraft hält der Bredeneyer zwar zweifelsohne für eine „taffe Person“; so hat sie seiner Meinung nach „einen guten Job gemacht, lässt sich aber unweigerlich von Sachzwängen der Politik leiten“.

Diese Kandidaten vertreten Essen im Landtag

Thomas Kutschaty (SPD) ist Sieger im Wahlkreis 65 (Borbeck, Altenessen, Karnap, Mülheim-Winkhausen). Er erreichte 52,2% (+2,4) der Stimmen. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 27,8% (-6,2); Grüne 6,9% (+2,3); FDP 2,7% (-1,0), Linke 6,0%(+1,2).
Thomas Kutschaty (SPD) ist Sieger im Wahlkreis 65 (Borbeck, Altenessen, Karnap, Mülheim-Winkhausen). Er erreichte 52,2% (+2,4) der Stimmen. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 27,8% (-6,2); Grüne 6,9% (+2,3); FDP 2,7% (-1,0), Linke 6,0%(+1,2). © WAZ FotoPool
Dieter Hilser (SPD) holte den Wahlkreis 66 (Steele, Kray, Stoppenberg). Er erreichte 50,2% (+1,8). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 28,1%% (-6,9); Grüne 7% (+1,9); FDP 3,3% (-0,5), Linke 7,2%(+2,6).
Dieter Hilser (SPD) holte den Wahlkreis 66 (Steele, Kray, Stoppenberg). Er erreichte 50,2% (+1,8). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 28,1%% (-6,9); Grüne 7% (+1,9); FDP 3,3% (-0,5), Linke 7,2%(+2,6). © WAZ FotoPool
Die Wähler im Wahlkreis 67 (Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf)sprachen Britta Altenkamp (SPD) mit 47,2% (+0,7) ihre Vertrauen aus.  Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 26,3% (-6,5); Grüne 11,9% (+3,6); FDP 3,8% (-0,6), Linke 8% (+3,4).
Die Wähler im Wahlkreis 67 (Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf)sprachen Britta Altenkamp (SPD) mit 47,2% (+0,7) ihre Vertrauen aus. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 26,3% (-6,5); Grüne 11,9% (+3,6); FDP 3,8% (-0,6), Linke 8% (+3,4). © WAZ FotoPool
Manfred Kuhmichel gewann mit 39,3% (-3,7) das Kopf-an-Kopf-Rennen im Essener Süd-Wahlkreis 68 ((Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen, Stadtwald, Ruhrhalbinsel, Werden, Kettwig, Bredeney). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: SPD: 38,1% (+0,2); Grüne 11,6% (+3,4); FDP 5,1% (-1,4), Linke 4,1% (+1,3).
Manfred Kuhmichel gewann mit 39,3% (-3,7) das Kopf-an-Kopf-Rennen im Essener Süd-Wahlkreis 68 ((Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen, Stadtwald, Ruhrhalbinsel, Werden, Kettwig, Bredeney). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: SPD: 38,1% (+0,2); Grüne 11,6% (+3,4); FDP 5,1% (-1,4), Linke 4,1% (+1,3). © WAZ FotoPool
Über die Landesliste ihrer Parteien ziehen Neuling Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... in den Landtag ein.
Über die Landesliste ihrer Parteien ziehen Neuling Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... in den Landtag ein. © Ulrich von Born / NRZ
...und Peter Witzel (FDP) in den Landtag ein. Für den Linken Holger Vermeer, der im Essener Osten (Wahlkreis 66) kandidierte, wird der Platz 14 auf der  Landesliste seiner Partei voraussichtlich nicht reichen.
...und Peter Witzel (FDP) in den Landtag ein. Für den Linken Holger Vermeer, der im Essener Osten (Wahlkreis 66) kandidierte, wird der Platz 14 auf der Landesliste seiner Partei voraussichtlich nicht reichen. © Fremdbild
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Einer dieser „Sachzwänge“ sei an dieser Stelle erwähnt: die Kosten der Landtagswahl – die sich nach Angaben des Landtags NRW im zweistelligen Millionenbereich befinden werden. „Demokratie ist nun mal teuer“, fällt Raufeisen dazu ein. Oktay Cetinkaya ärgern die Kosten dagegen: „Ich darf nicht einmal wählen, muss aber dafür zahlen“ – der 32-jährige studierte Rüttenscheider hat nämlich einen türkischen Pass. Seine Stimme würde er der SPD geben, vor allem „weil sie die Studiengebühren abgeschafft hat“. Insgesamt fragt er sich allerdings, ob die Bürger nicht schon der Wahlen überdrüssig seien.

Klaudia Mainusch aus Altenessen sieht den Kostenfaktor ebenso kritisch: „Rund 15 Millionen Euro für die Landtagswahl müssen wirklich nicht sein.“ Wozu Neuwahlen? Sie sei mit der Rot-Grünen Regierung so zufrieden, denn „sie hat wenigstens ihre Wahlversprechen eingehalten, was Kitaplätze und Studiengebühren angeht“. Das sei schließlich nicht selbstverständlich. Und darüber hinaus haben andere in ihren Augen, neben Rot-Grün, keine Chance bei der Wahl im Mai.

Auch Peter Cremer aus Haarzopf sieht SPD und Grüne künftig eindeutig an der Spitze und gibt bezüglich der zwei vergangenen Amtsjahre zu bedenken: „Mit einer Minderheitsregierung kann man eben nicht viel reißen, die ist ja nie frei entscheidungsfähig.“ Sein Wunsch jedenfalls bleibt: „Frau Kraft soll regieren.“ Ob die Ministerpräsidentin nun bleibt oder nicht, das ist Yasmin Imberg mehr oder minder gleichgültig: „Im Endeffekt ist es mir egal, wer da oben sitzt.“ Sie habe bisher noch keine Regierung erlebt, die besonders gut (oder besonders schlecht) gewesen sei. Absehbar waren die Neuwahlen für die Rüttenscheiderin aber schon, „die Konflikte zwischen Rot-Grün und der Opposition waren einfach offensichtlich viel zu groß“.

„Wir brauchen klare Verhältnisse“

Wohl so groß, dass auch Reinhard Giesen sagt, „Rot-Grün hat nichts Vernünftiges umgesetzt. Früher oder später hätten sie ihr Gesicht verloren, durch ewiges Einlenken und Nachgeben“. Er spricht aus, was womöglich viele denken: „Wir brauchen klare Verhältnisse, einer muss das Sagen haben.“ Folgende Konkrete Prognosen hat der Rüttenscheider: „Erstens fliegt die FDP aus dem Landtag, zweitens die Linke.“ Die hätten sich den Ast selbst abgesägt, auf dem sie sitzen. Drittens gibt er den Piraten von den „Kleinen“ die größten Chancen: „Was die Piraten heute machen, haben die Grünen in ihren Anfängen nicht anders gemacht“, und die seien damit ja auch erfolgreich gewesen.

So genau mag sich Holger Müller aus Rüttenscheid damit gar nicht beschäftigen: „Ich glaube, es gibt Wichtigeres zu tun.“ Mit Spekulationen hält er sich ebenfalls zurück, denn „Blitzumfragen sagen doch noch nichts aus“ – und im taktischen Spiel der Parteien innerhalb des Wahlkampfs verschwänden klassische Tendenzen ohnehin. Wer auch immer ab Mai regieren wird; es bliebe über allem die „spannende Frage“, ob es dann besser oder schlechter wird.