Essen. 137.000 Menschen kommen täglich zur Arbeit nach Essen. Damit belegt die Stadt im landesweiten Vergleich einen Spitzenplatz - den wäre sie gern wieder los. Die Pendler würde sie lieber als Neubürger gewinnen.

Essen schrumpft, nur die Zahl der Menschen, die täglich zur Arbeit in die Stadt kommen, steigt. Gut 137.000 Einpendler gibt es aktuell, etwa 10.000 mehr als vor zehn Jahren. Die neue Zahl hat IT NRW dieser Tage veröffentlicht. 46,8 Prozent aller hiesigen Erwerbstätigen wohnen nicht in Essen.

Im Landesvergleich rangiert Essen mit dieser Quote hinter Düsseldorf (58,6 %) und Bonn (54,8%). Ein Spitzenplatz, den man gerne los würde. „Man muss die Menschen begeistern für diese Stadt“, findet die Chefin der Grünen-Ratsfraktion Hiltrud Schmutzler-Jäger.

Momentan sind offenbar nicht einmal die Mitarbeiter der Stadt hinreichend von Essen begeistert: Ein Drittel von ihnen wohnt außerhalb. Das Viererbündnis aus CDU, Grünen, FDP und EBB hat deshalb im November 2011 einen Vorstoß im Rat gemacht: Die Verwaltung möge ein Konzept entwickeln, um städtische Angestellte auch als Einwohner zu gewinnen. Denkbar sei etwa, „durch zinsbegünstigte Darlehen der Stadt Wohneigentumsbildung im Stadtgebiet zu erleichtern“. Auch Umzüge könne man unterstützen.

Umsetzung gestaltet sich schwierig

Wenn ein solches Residenz-Angebot Erfolg habe, könne es die Bindung an die Stadt als Arbeitgeber, die Identifikation mit Essen und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, heißt es im Antrag. Auch hoffe man durch die kürzeren Arbeitswege auf ökologische Effekte.

Das klingt gut, doch die Umsetzung, die in die Zuständigkeit von Planungsdezernent Hans-Jürgen Best fällt, gestaltet sich schwierig. „Wir hatten ähnliche Programme und der Verdacht liegt nahe, dass es viele Mitnahme-Effekte gab.“ Sprich: Über die Finanzspritze freuten sich just die, die sowieso nach Essen ziehen wollten.

Im Rahmen des ersten kommunalen Förderprogramms (KFP I) seien von 1998 bis 2003 „Finanzierungshilfen als nicht rückzahlbarer Zuschuss bzw. als Preisnachlass bei städtischen Grundstücken“ bewilligt worden. In dieser Zeit flossen gut 1,8 Millionen Euro für 202 Förderfälle; im Schnitt 9000 Euro. Um mehr Umzugswillige zu unterstützen, sei die finanzielle Ausstattung zu gering gewesen.

Private Vermieter für Initiativen gewinnen

Nur noch 74 Geförderte gab es bei der zweiten Förderrunde (2002-2004), die mit 1,5 Millionen Euro ausgestattet war. Das für 2005 geplante Folgeprogramm wurde wegen der schwierigen Haushaltslage erst gar nicht umgesetzt. Ob die Finanzlage heute besser sei, solle der Kämmerer beurteilen, so Best. „Jedenfalls ist es eine Herausforderung, Anreize zu finden, die Leute zum Umzug nach Essen bewegen.“

„Da fehlt mir manchmal in der Verwaltung der Schwung“, beklagt Hiltrud Schmutzler-Jäger. Wichtig sei Neubürgern vor allem das richtige Wohnangebot im gewünschten Umfeld. „Der Allbau macht es vor, legt Wohnungen zusammen, entwickelt ganze Stadtquartiere. Wir müssen auch private Vermieter für solche Initiativen gewinnen.“ Das gehe nicht allein durch finanzielle Anreize, sondern auch durch Beratung und Info-Börsen. „Auch um die Pendler müssen wir werben, zum Beispiel mit einer Kampagne: ,Komm nach Essen’. Nur müssen wir denen dann auch eine passende Wohnung bieten können.“