Essen. . Regelmäßig hatte Moritz jetzt das Gefühl, beobachtet, bedroht, verfolgt zu werden. Mit 14 rauchte er den ersten Joint. Zwei Jahre später kamen Speed und Ecstasy dazu. Mit 18 setzten verrückte Halluzinationen ein. Mit 28 Jahren erzählt er Schülern davon, wie er dem Teufel ins Gesicht sah.

Ein junger Mann hat am Freitagmorgen Schülern erzählt, wie er irre wurde. Drogen sind daran schuld. Der junge Mann heißt Moritz, und auf einer winterlichen Skifreizeit ging es los mit seinen verrückten Halluzinationen, da war er gerade 18.

„Plötzlich, da war ich ganz sicher, guckten alle böse, die Betreuer und selbst die Sechstklässler, alle guckten mich so von oben nach unten an.“

Später, wieder zuhause, da saß er an einem Abend mit seiner damaligen Freundin auf dem Bett, und plötzlich verwandelte sich das Gesicht der Frau in eine weiße Fläche. Er rannte vor Schreck aus dem Zimmer, zu seinem Vater, aber auch der war seltsam verändert, bäumte sich drohend auf. Regelmäßig hatte Moritz jetzt das Gefühl, beobachtet, bedroht, verfolgt zu werden.

"Ich weiß wie es in der Hölle ist"

Noch später, da lag Moritz schon auf der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie, da sah er, dass die Wände glühten, er war sich sicher: Er ist in der Hölle, und er muss für den Holocaust büßen, denn er hat die sechs Millionen Juden auf dem Gewissen. Der Patient, der auch auf Moritz’ Zimmer lag, hatte eine Glatze und trug Ohrringe, und Moritz war sich sicher: Dies ist der Teufel.

Moritz sagt heute: „Ich weiß, wie es in der Hölle ist. Ich war schon da. Ich will da nicht mehr hin.“ Die Halluzinationen, unter denen Moritz litt, waren Einbildungen. Doch die Hölle hat er tatsächlich durchgemacht. Er ist an Schizophrenie erkrankt.

Mit 14 rauchte er den ersten Joint. „Ein neuer Schüler war in unsere Klasse gekommen. Den fanden wir cool, der trug die richtigen Klamotten und hörte die richtige Musik. Und der kiffte halt.“ Zwei Jahre später kamen Speed und Ecstasy dazu.

Schizophrenie kann jeden treffen

„Wer Cannabis konsumiert, verdoppelt sein Risiko, an einer Schizophrenie zu erkranken“, sagt Professor Christian Eggers (73). „Cannabis kann Schizophrenie auslösen.“ Er war 25 Jahre lang Direktor der Rheinischen Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die nahm ihm benannte Stiftung unterhält ein Haus in Holsterhausen, in dem schizophrene Jugendliche in einer WG betreut leben. „Schizophrenie“, betont Eggers, „kann jeden treffen. Das schlimmste ist die gesellschaftliche Stigmatisierung dieser Krankheit.“ Auch Hölderlin war schizophren.

Moritz lebt heute in einer eigenen Wohnung, hat eine Freundin, macht gerade ein Praktikum. Sein Ziel: „Ich will soziale Arbeit studieren.“ Seine persönliche Bilanz trägt er ohne Bitterkeit vor: „Drogen haben mich zehn Jahre meines Lebens gekostet.“

Eindrucksvoll beschreibt er, wie Cannabis und Speed ihn langsam verblöden ließen: „Man hat Wortfindungs-Störungen, fängt an zu stottern, kann nicht mehr nachdenken. Außerdem kriegt man überall Pickel und sieht krank aus.“ Wie Ecstasy einen „zum Arschloch werden“ lässt: „Du ziehst Freunde ab, damit du Geld für die Droge hast.“

Ecstasy macht nicht glücklich,

Alle Drogen, da ist sich Moritz heute sicher, nehmen einem genau das, was sie einem eigentlich geben sollen. Haschisch macht nicht ruhig, sondern am Ende kann man ohne Joint nicht mehr schlafen. Ecstasy macht nicht glücklich, „sondern man bekommt ein Herz aus Stein.“

Er verschweigt nicht, dass Drogen am Anfang Spaß machen, „bei Ecstasy hast du Luftschlangen im Kopf, alles ist ganz leicht, man ist total glücklich und will immer tanzen.“ Später, in der geschlossenen Anstalt, hat er dann wieder getanzt, zu Musik, die im Radio lief: „Ich war mir sicher: Nicht ich bewege mich zu der Musik. Sondern die spielen die Musik, weil ich tanze.“ Bei der Schizophrenie, erklärt Moritz, „passen Denken, Handeln und Fühlen nicht mehr zusammen.“ Insgesamt 16 Monate hat er in Kliniken verbracht. Ein Medikament stoppte die schlimmsten Psychosen, mit harten Nebenwirkungen: „Man bewegt sich wie ein Roboter, kann sich kaum noch bewegen.“ Er musste Windeln tragen, Pfleger halfen bei Dusche und Rasur. Er berichtet vom Hochsommer in der geschlossenen Anstalt, in der die Fenster nicht zu öffnen sind wegen der Selbstmordgefahr, er berichtet von „Hitze, bestialischem Gestank“ und der „Angst, dass man nie mehr rauskommt.“ Zwei Stunden spricht er in der Klasse 10a der Realschule Kettwig. Die berühmte Stecknadel, man hätte sie fallen gehört.