Essen. . Am Essener Mechtenbergpark betreibt Thomas Beer mit seiner Käferschmiede einen Betrieb, den es in Deutschland nicht häufig gibt. Auch in seinem Leben spielte der Krabbler aus Wolfsburg eine folgenreiche Rolle.
Ein Käfer ist ein Familienmitglied, das in der Garage schläft: Wenn man die große Fangemeinde des urigen Krabblers beim Wort nimmt, dann freut sich Thomas Beer nicht bloß über eine große Familie, sondern über einen ganzen Klan. Am Mechtenbergpark betreibt der 50-Jährige ein Insektennest, wovon es in Deutschland wohl nur eine Handvoll gibt: die Käferschmiede Essen.
Häuschen an Häuschen – so nennen die Fachleute die Personenkabine des Käfer – reihen sich die ausgemusterten Krabbler auf dem Hof. Die meisten von ihnen „laufen und laufen“, wie es die VW-Werbeabteilung in den 1970ern dichtete, nicht mehr, dienen nur noch als rollende Ersatzteillager. Doch einer von ihnen, ein mehr rostiges als rotes Exemplar ohne die markanten Kotflügel, hat für Thomas Beer eine besondere Bedeutung. „Durch den habe ich meine Frau Birgit kennengelernt“, berichtet der Käferschmied.
Nichts für den kleinen Geldbeutel
Käferschmiede
Das war Mitte 1991 und der gebürtige Weseler arbeitete noch bei einem VW-Händler in Hünxe. Ein befreundeter Schrauber hatte da so eine Arbeitskollegin in Essen, die hatte Probleme mit ihrem runden „Familienmitglied“ und so nahm eine richtige Käfergeschichte ihren Lauf: 1995 wurde geheiratet, Beer zog nach Essen um und neben Sohn Maximilian kam auch die Käferschmiede auf die Welt. Der rostanfällige VW der Herzdame trat eine andere Reise an, landete in Emmerich und wurde erst zehn Jahre später wieder „heim“ geholt, wenn auch in bemitleidenswertem Zustand. Thomas Beer jedoch hatte seinen Platz gefunden – wahrscheinlich hat wohl kaum ein Auto in so vielen Biografien seine Spuren hinterlassen, wie das nach dem Golf meistgebaute Auto aus dem Hause VW.
Und das ist nun quasi die Geschäftsgrundlage des Käferschmieds. Studenten, Fahranfänger oder Geldsparer verirren sich nämlich kaum auf seinen Hof. Dafür ist es hier viel zu exklusiv, sprich zu teuer. „Meine Kunden sind 40 Jahre und aufwärts. Viele von ihnen haben etwas Persönliches mit dem Käfer erlebt“, berichtet Thomas Beer: „Zum Beispiel ein Kind gezeugt“, sagt er mit einem Schmunzeln.
Liebhaber aus ganz Deutschland kommen
Es sind Liebhaber aus mittlerweile ganz Deutschland, die sich auf den Weg zum Mechtenberg machen. Nicht sehr weit hatte es Oberbürgermeister Reinhard Paß, der sein frisch erworbenes Cabrio, natürlich in rot, hier auf die Hebebühne stellen ließ. „Wir reparieren, tunen, restaurieren oder setzen sonst alle Wünsche um, mit denen unsere Kunden so kommen“, erläutert Thomas Beer.
Jemand möchte ein originalgetreues Fahrzeug, das an seinem Geburtstag gebaut wurde, ein Anderer ein Cabrio zum Cruisen mit dicker Maschine, der Dritte den alten Käfer vom Opa in neu: So bunt wie die Aufträge sind, sieht es auch in den Montagehallen aus. Da kauert neben einem frisch grundierten „Häuschen“ ein silberner Tun-Fisch aus dem Jahr 1956 auf Breitreifen, daneben blinkt ein quietsch-orangener Nachbau des legendären TDE-Käfers (Theo Decker Essen/Borbeck) aus den frühen 1970ern. „Den gebe ich aber nicht mehr her“, stellt Beer sein privates Lieblingsstück vor.
Das hat natürlich seinen Wert. Und auch die zahlreichen anderen liebevoll und mit Originalersatzteilen aus dem riesengroßen Fundus neu aufgebauten Krabbler, die das Nest verlassen, sind Wertanlagen. Zwischen fünf und zehn Prozent, schätzt Beer, gewinne ein Cabrio pro Jahr.
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Einen ganz persönlichen Wert hat für Beer aber das flügellahme Exemplar ohne Kotflügel auf seinem Hof. Schon bald wird er den Käfer von Frau Brigitte mit alter Fahrgestellnummer und neuer Karosserie dem Tüv vorstellen. Denn zum 50. Geburtstag der Gattin soll sich dieser Kreis schließen. Manchmal ist das Leben so rund wie ein Käfer.