Essen. . Die Stadt hat 140 Werke Essener Künstler eingemottet, die Rathaus-Büros schmücken könnten. Ob sie verkauft werden dürfen, wird geprüft. Die Stadt führt die Werke mit einem Erinnerungsbetrag von einem Euro - das entspreche aber keinesfalls dem tatsächlichen Wert.

„Die schönsten Bilder sind raus“, sagt Wolfgang Glaser vom Kulturbüro. „Reine Geschmackssache“, findet seine Kollegin Ulrike Vetter. Über Kunst lässt sich streiten. Die beiden stehen im ehemaligen Luftschutzbunker der Luisenschule, in der sich heute das Haus der Geschichte mit dem Stadtarchiv befindet. Dort lagert Kunst, die sich im Stadtbesitz befindet.

Ähnlichkeit mit einem Gefrierbeuteldraht

Darunter: Das „Ding mit Durchblick“, türkis 1998. Eine Kopfbedeckung? Vielleicht ein Lampenschirm? Der in sich verschlungene Draht ähnelt dem, mit dem man sonst Gefrierbeutel verschließt. Geschaffen hat das Werk Renate Neuser, die eine Beschreibung darangehängt hat: Oben aufhängen, über einen Nagel, an die rot gekennzeichnete Öffnung. Wichtig: Objekt schräg hängen.

Wie die Installation von Rolf Jörres stehen soll, bleibt indes offen. Drei Steine bilden einen Stapel. Darauf steht 3/03, Eigentum der Stadt Essen. Die hat in den Jahren 1974 bis 2004 insgesamt 673 Werke gekauft. Für 466.000 Euro, um Essener Künstler zu subventionieren. So wählte eine städtische Fachjury Ölgemälde, Grafiken oder Skulpturen, die die Büros der Mitarbeiter schmückten. Denn das war neben der Förderung weiterer Zweck der Ankäufe.

Ob nun Schätze im Keller schlummern oder die besten doch schon im Rathaus hängen, bleibt offen. Denn die meisten der 140 Werke sind in Folie verpackt. Einige haben im früheren Lager im Gesundheitsamt einen Wassereinbruch überstanden. Beschädigt seien höchstens ein paar Rahmen, sagt Ulrike Vetter. Ein bisschen Staub abwischen, ein paar Spinngewebe entfernen, sagt Wolfgang Glaser.

Und die Farbe, die auf dem schwarz-weißen Gemälde aussieht, als wenn sie verläuft? Ein Wasserschaden? Nein, sagt Wolfgang Glaser: „Künstlerische Freiheit.“ Er arbeitet sich jetzt durch die handschriftlichen Verzeichnisse, katalogisiert die Werke. Nicht zu jedem gibt es ein Foto, dafür aber Nummern. Ob sie alle zugeordnet werden können, wird sich herausstellen. Fest steht aber, dass der Erinnerungswert von einem Euro, mit dem die Stadt die Werke in der Buchhaltungen führt (wir berichteten) keinesfalls dem tatsächlichen Wert entspreche, sagt Ulrike Vetter. Denn den kennt niemand.

Gemäldewert muss erst noch bestimmt werden

Dieser genannte Euro jedoch machte einige der Künstler zornig. So verkauft Christian Paulsen seine Zeichnungen und Kollagen nach eigenen Angeben heute für 2500 Euro. Ulrike Vetter versicherte auch Künstlern, dass die Stadt den heutigen Marktwert erst vom Gutachter ermitteln lassen müsse, einem Kurator des Museum Folkwang etwa. Ob das notwendig sein wird, ist ebenfalls noch unklar. Denn einen Wert braucht die Stadt wohl erst, wenn sie die Bilder verkaufen will. Die seien nicht mit dem Ziel angeschafft worden, eine im Wert steigende Sammlung anzukaufen.

Im Frühjahr sollen nun einige der 140 Werke im Gildehof und im Rathausfoyer ausgestellt werden, damit die städtischen Mitarbeiter aus den 140 ungewollten oder zurückgegebenen Werken welche für ihren Arbeitsplatz wählen können – früher gab es diese Schauen regelmäßig. Die Bild-Ausleihe ist für die Beamten und ihre Kollegen aus dem öffentlichen Dienst aber jederzeit möglich. Und nur für sie: Denn für jeden anderen wäre dafür eine Gebührensatzung fällig, sagt Glaser.

Große Vielfalt

Die Werke gibt es in allen Formaten. Zum Hängen, Stellen oder Legen. So wie die beiden Holzsäulen. Vom Stadtamt 41. „Die kamen wohl aus einem Büro der Chefetage“, schätzt er. Die Stühle daneben dienten nicht etwa als Sitzmöbel: Es ist eine Installation in Weiß samt Tisch. Anordnung unbekannt. Das Gemälde „Impression“ zeigt Häuser, wilde Pinselstriche und bunte Farben. Wilhelm Lankens Werk eine bunte Boutique.

Eigentlich könnten sie doch die Rathausflure schmücken. Dürfen sie aber nicht: Dort wären die Bilder Brandbeschleuniger. So sieht es die Feuerwehr bei Leinwand, Holz und Ölfarbe. Auf Fluchtwegen wie Fluren müssten sie hinter Glas und würden Kosten verursachen. Jetzt prüft das Rechtsamt erst einmal, ob die Stadt die Kunst überhaupt verkaufen darf. Nur für den Fall, dass sich in der Verwaltung keine Kunstliebhaber finden.