Essen. . Es klang nach Zwang und übler Gewalt, um die Wertvorstellungen der aus dem Libanon stammenden Eltern gegenüber der 17-jährigen Tochter durchzusetzen. Aber vor dem Landgericht Essen endete der Familienkonflikt am Donnerstag mit einer Art „Happy End“.
Juristisch waren der V. Strafkammer die Hände gebunden. Aber zu der These, dass libanesische Familienclans in einer Parallelgesellschaft leben und die Justiz hilflos ist, schien der Fall nicht zu passen. Zu selbstbewusst, zu offen wirkte die 17-jährige Schülerin, die später Rechtsanwaltsgehilfin werden möchte, als dass diese Opferrolle ihr gerecht würde.
Ihre in Altendorf wohnenden Eltern auf der Anklagebank sind eher dem traditionellen Rollenverständnis verhaftet, wirken schlicht. Die Mutter, 47 Jahre alt, sitzt mit Kopftuch im Saal, für den 58 Jahre alten Vater muss Dolmetscher Georg Khano übersetzen. Laut Anklage soll die Mutter vor einem Jahr das Handy der Tochter einkassiert und sie als „Schlampe“ beschimpft haben.
Das Mädchen bestand auf Rückgabe. Da soll sich der Vater eingemischt haben. Er hätte die Tochter an den Haaren gezogen, sie zu Boden gedrückt und ins Gesicht geboxt. Die Tochter hätte sich gewehrt, nach dem Vater getreten und ihn gekratzt.
Im Prozess geschwiegen
Brutale Szenen schildert die Anklage: Dass der Vater sein Kind würgte und drohte, es umzubringen. Und schimpfte: „Es reicht jetzt! Ich will dich nicht.“ Aber plötzlich habe er aufgehört und sei weggegangen. Die Mutter hätte versucht, die Tochter zu beruhigen, ihr ein neues Handy versprochen. Das hielt diese nicht davon ab, zum Jugendamt zu gehen, um die Attacke zu schildern. Sie erstattete Anzeige.
Doch was die 17-Jährige bei Jugendamt und Polizei erzählte, hielt sie bei einer richterlichen Vernehmung nicht aufrecht. Dort schwieg sie. Am Donnerstag vor der V. Strafkammer schwieg die gesamte Familie: die Eltern, aber auch die Tochter, der Opfer-Anwältin Imke Schwerdtfeger als Zeugenbeistand beigeordnet worden war.
Mit Staatsanwalt Bernd Schmalhausen sowie den Verteidigern Eva Berger und Wolfgang Weber suchte das Gericht nach einer Lösung und fand sie. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Eltern, fünf Kinder, kaum Einkommen, zahlen dafür 200 Euro Geldbuße. Es wirkte wie eine Versöhnung, als Eltern und Tochter den Saal verließen. Seit einem halben Jahr lebt die 17-Jährige wieder zu Hause.
Aber weil allein der äußere Schein nicht verlässlich ist, warnte Richterin Luise Nünning: „Wenn noch einmal etwas passiert, kommt das wieder zu uns. Und dann geht es anders aus als heute.“