Essen. Während sich Essen von der Silvesternacht erholte, feierte man in „Micha’s Kännchen“ am Neujahrsmittag noch kräftig weiter. Ein Erfahrungsbericht.

Neujahrsmittag, 13 Uhr: Die Straßen sind fast ausgestorben, der Himmel trist, auf den Bürgersteigen liegen noch die Spuren der Silvester-Knallerei und von oben fieselt fieser Regen auf die wenigen Spaziergänger. Doch es gibt eine Oase an diesem tristen Tag. In „Micha’s Kännchen“ an der Schederhofstraße feiern noch die Unverwüstlichen.

Und der Unverwüstlichste unter ihnen ist der Hausherr. In aller Ruhe steht Inhaber Michael Becker hinter seiner Kasse, rechnet die Verzehrkarten der Gäste ab, die spärlich nach Hause tröpfeln. Micha sind die mehr als 14 Stunden, die er hier verbracht hat, kaum anzumerken. „In Zweierreihen“ hätten die Silvester-Gäste bei ihm angestanden. „Rappelvoll. Kein Stress, keine Waffen, keine Drogen: Wenn die Leute sich sicher fühlen, kommen sie auch wieder“, verrät der Wirt, der sein „Kännchen“ nach eigenen Aussagen (fast) so sehr liebt wie seine sieben Kinder. „Wo sollen die Leute nach vier Uhr auch hingehen?“, fragt er.

Rund 120 Unersättliche

Da gibt es nicht viele Alternativen. So hat sich sein Publikum während des Vormittags mit zahlreichen Neujahrsgästen noch einmal „runderneuert“. Rund 120 Unersättliche – der Altersschnitt liegt bei Mitte Vierzig – tummeln sich hier, verbiegen die Figur auf der Tanzfläche, trinken das x-te Bierchen an der Theke oder halten sich am Kaffee fest.

So wie Tim (42). Der Dorstener hat die Jahreswende bei der bettlägerigen Mutter in der Krebsklinik verbracht. Danach war er in Köln und Düsseldorf, bevor er im „Kännchen“ landete. Wie er das geschafft hat? „Kein Alkohol“, sagt er, nippt am Kaffeebecher und zieht die Jacke über. Er bricht nun zum Neujahrsbesuch bei der Frau Mama auf.

"Die große Liebe finden"

Franzi (33) wird noch ein bisschen bleiben. Die Brünette hat sich erst in diesem Jahr zur Frau umoperieren lassen. Fragt man sie nach den Vorsätzen für das neue Jahr, muss sie nicht lang überlegen. „Die große Liebe finden“, wünscht sie sich.

Nadine (21) will sich erst gar nichts für das neue Jahr vornehmen. „Klappt sowieso nicht“, stellt sie fest. Ihre Freundin Milada (31) hat konkretere Vorstellungen. Sie möchte gerne „ein paar Kilos“ abnehmen. Doch das steht gerade hinten an. Genüsslich nippt sie an dem ersten Drink des Abends. 14 Stunden lang hat sie im „Channon“, dem angeschlossenen Club des „Kännchens“, gearbeitet und das schlaucht. „War eine Super-Party“, berichtet sie.

Viele Emotionen im Spiel

Zufrieden ist auch Can (38). Vor mehr als acht Stunden kam er her, hatte vorher mit der ganzen Familie in Holsterhausen gefeiert. „Mit Eltern, Neffen, Nichten, der ganzen Familie. Da waren viele Emotionen im Spiel“, freut er sich. Vornehmen will er sich nichts, seine Vorsätze halte er auch ohne Neujahr ein. Julz (20) ist da noch nicht so weit. „Ich will mir das Rauchen abgewöhnen“, erläutert er. Nach Hause gehen, das will er aber noch nicht. Schließlich hat er ja am tristen Neujahrstag seine Oase gefunden.

100 Wünsche für NRW im Jahr 2012

Einen einzigen Tag ohne Stau auf der A 40.

Dass der Deutsche Fußballmeister wieder aus NRW kommt.

Genug Kitaplätze für alle, die einen brauchen.

Rekord-Einschaltquoten für den neuen "Tatort" aus Dortmund.

Dass aus Duisburg mal wieder ein paar positive Nachrichten kommen.

Sonne im Sommer, Schnee im Winter - ist doch eigentlich ganz einfach.

Dass die NRW-Städte mal nicht als Bildungsverlierer, Konjunkturverlierer oder Wahlmanipulations-Zentren Schlagzeilen machen.

Friedliche Fußball-Fans.

Dass es sich auch Normalverdiener weiterhin leisten können, mitten in Düsseldorf zu leben.

Keine Schulklasse über 28 Schüler.

Real sinkende Arbeitslosenzahlen.

"Bochum Total" endlich mal wieder ohne Regengüsse und Gewitter.

Die Entdeckung einer eigenen Ölquelle zur Sanierung des Landes-Haushaltes.

Das Siegtor im EM-Finale durch einen Kicker aus NRW.

Einen metropolen-würdigen ÖPNV für das Ruhrgebiet.

Dass Fortuna Düsseldorf und Borussia Dortmund auch in der ersten Bundesliga aufeinander treffen.

Hörsäle, in denen jeder einen Sitzplatz hat - und zwar nicht auf dem Fußboden.

Dass weiter viele protestieren, wenn Nazis marschieren.

Genug Streusalz für den Winter.

Eine Loveparade-Gedenkstätte, an der Hinterbliebene, Verletzte und Duisburger würdevoll trauern können.

Schnelles Internet auch für die, die auf dem Land leben.

Dass der dreispurige Ausbau der A1 endlich fertig wird.

Dass der Deutschland-Achter auf dem Phoenixsee in Dortmund mal eine Runde proberudert.

Ein Fitness-Studio, in dem Oberhausener ohne Angst um ihr Geld trainieren können.

Dass wir die fußballfeldgroße Betonplatte vor dem Duisburger Bahnhof nicht noch ein Jahr lang anschauen müssen.

Endlich einen NRW-Slogan, für den man sich nicht mehr schämen muss.

Dass die Bahn dem RE1 einen zusätzlichen Waggon spendiert, damit man nicht ganz so doll mit seinem Nachbarn kuscheln muss.

Tatsächlich jedem Kind ein Instrument. Ja, zur Not auch eine Blockflöte.

Dass die Kulturlandschaft Ruhrgebiet in die Welterbe-Liste der Unesco aufgenommen wird.

Ein Ende der Dauerbaustellen auf und an der Autobahn 59 in Duisburg-Mitte.

Grönemeyer-Konzert im VfL-Stadion mit "Bochum".

Dass Michael Wendler aus Dinslaken beim Eurovision Song Contest auftritt.

Dass der Luchs nach NRW zurückkehrt.

Eine skandalfreie Uni Duisburg-Essen.

Zur Abwechslung mal eine BVB-Feier nach einem Pokalsieg in Berlin.

Eine Lösung des Grundwasser-Problems der Emscher - und damit endlich trockene Füße in Karnap und Bottrop.

Mehr Bolzplätze, die auch im Winter bespielbar sind.

Bochum Total mit Lady Gaga.

Eine Werksgarantie für Opel mit unendlicher Laufzeit.

Ein Radioprogramm, das man länger als zwei Stunden am Stück hören kann, ohne dass es sich anfühlt wie eine CD in Endlosschleife.

Weniger Kriminalität.

Dass man im Essener Baldeneysee wieder baden darf.

Jeden Tag eine günstige Flugverbindung nach Mallorca.

Zwei Fußbälle auf der Riesen-Weihnachtstanne in Dortmund.

Ein neues Stillleben auf der A40.

Einen Saufraum für Nicht-Alkoholiker mit viel Freibier.

Mehr Wasser für die Rhein-Schifffahrt im November.

Einen ganzen Tag lang kostenlos Currywurst.

Dass die Städte ihre Straßen nach dem Winter endlich einmal ordentlich sanieren, statt sie nur provisorisch zu flicken.

Dass Eon seinen Stellenabbau noch einmal überdenkt.

Einen Geldregen für Theater und Konzerthäuser in NRW.

Eine Aufstiegsfeier für den VfL Bochum und Frank Goosen wird Manager.

Wattenscheid wird wieder selbständig.

Straffreies Telefonieren für alle Radfahrer in Dortmund.

Dass Raúl auf Schalke bleibt.

Der Dortmunder U-Turm wird für drei Milliarden Euro zu einer Mehrzweckhalle umgebaut.

Dass der Kemnader See tatsächlich seine Inliner-Bahn bekommt.

Dass nicht noch mehr Freibäder schließen.

Mal eine neue Frisur für Hannelore Kraft.

Dass Opel in Bochum bleibt.

Dass der Rhein ab Höhe Duisburg endlich mal in "Rhaus" umbenannt wird.

Dass die Menschen an Bahnhöfen lernen, dass das Einsteigen in den Zug schneller geht, wenn man erst die Leute aussteigen lässt.

Striktes Rauchverbot in Kneipen.

Dass die Welt, auch in NRW, ein Stückchen besser wird.

Viel Sonnenschein in der fünften Jahreszeit.

Dass sich im Bochumer Bermuda-Dreieck weiter originelle Kneipen gegen standardisierte Gastro-Ketten behaupten.

S-Bahnen im 10-Minuten-Takt.

Volksfeste und Weihnachtsmärkte, auf denen es wieder mehr Ungewöhnliches zu entdecken statt Frittiertes zu essen gibt.

Dass die Piratenpartei den neuen Duisburger Oberbürgermeister stellt. Da könnte sie mal zeigen, ob und was sie drauf hat.

Weniger fiese Fouls und dafür mehr Fußball auf den Plätzen und in den Stadien an Rhein und Ruhr.

Keine Magazin-Reportagen mehr über die ach so furchtbare Innenstadt von Oberhausen.

Bahnhöfe, die nicht nach Urin stinken und in denen es nicht zieht.

Einen Museumsplatz für die Essener Kardinal-Hengsbach-Statue - in einem Museum außerhalb der Landesgrenzen.

Mehr Spieltage im Amateurfußball ganz ohne Spielabbrüche.

Dass Bochum 15 Jahre nach der Schließung des Kortum-Hauses endlich wieder ein vernünftiges Kaufhaus in die Innenstadt bekommt.

Weniger "Checkers" und dafür mehr Sympathieträger wie David Pfeffer als Kandidaten in Castingshows.

Mehr Rücksicht auf Radfahrer.

Nicht so oft vom Ruhrbischof hören, was er berufsbedingt über Schwule denken muss.

Mehr Kulturveranstaltungen wie das Zeltfestival Ruhr oder Urbanatix.

Genug Tagesmütter für alle, die eine suchen.

Dass endlich auch der letzte Schilderhersteller merkt, wo das "H" in Mülheim hingehört.

Frieden im Allgemeinen und Waffenstillstand zwischen Düsseldorf und Köln.

Ein Jahr ohne Dioxin- und Gammelfleisch-Skandale.

Dass Moers sein altes Autokennzeichen MO wieder einführen darf.

Erfolg für Christoph Schlingensiefs Witwe, Aino Laberenz, mit der Fortführung seines "Operndorf"-Projektes.

Dass aus Lüdenscheid eine lebendige Studenten-Stadt wird, wenn die neue Fachhochschule aufmacht.

Dass der MSV wieder Kurs auf die erste Liga nimmt.

Vernünftig wärmeisolierte Regierungs- und Ministeriumsgebäude - weil Klimaschutz zuhause anfängt.

Endlich einmal Spargel-, Erdbeer- und Getreideernten, die die Bauern zufriedenstellen.

Mehr Angebote für Kinder und Jugendliche statt des teuren Konzerthauses in Bochum.

Dass der Himmel über dem Ruhrgebiet wieder... ach so, ist ja schon.

Dass der Düsseldorfer Rosenmontagszug so lang sein wird, dass er bis nach Köln reicht.

Ausnahmsweise mal eine gültige Kommunalwahl in Dortmund.

Private Sponsoren für den A46-Lückenschluss zwischen Menden und Neheim.

Die Rückkehr der Sportfreunde Siegen in die Regionalliga.

Mehr niedergelassene Ärzte auf dem Land.

Dass der Rhein am Niederrhein endlich einmal wieder komplett zufriert und zu einer traumhaft großen Eislaufbahn wird.

Dass die Riesenbaustelle in der Düsseldorfer Innenstadt früher als geplant nur noch eine böse Erinnerung sein wird.

Nochmal eine Soester Allerheiligenkirmes mit Frühlingstemperaturen.

Weiße Weihnachten.

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