Essen. Das Verhältnis zwischen der Stadt und der Agentur für Arbeit wird zunehmend eisiger. Es verschlechtert sich zum Stichtag 1. Januar, ab dem Essen auf den Partner Arbeitsagentur verzichtet und als Optionskommune im Alleingang seine Langzeitarbeitslosen vermitteln wird.
Das Verhältnis von Stadt und Agentur für Arbeit scheint jahreszeitlich geprägt - und erreicht nun seinen winterlichen Höhepunkt. Den Schulterschluss beschwor Sozialdezernent Peter Renzel noch im Frühjahr. Nahezu euphorisch attestiert er im Sommer, das paritätisch von Stadt und Arbeitsagentur betriebene Jobcenter befinde sich in der Vermittlung Langzeitarbeitsloser Hartz IV-Empfänger „auf gutem Kurs“. Dem Herbst entgegen kühlt Renzels Begeisterung merklich ab. Zu einem Zeitpunkt, da eben klar ist, dass Essen ab Januar auf den Partner Arbeitsagentur verzichtet und als Optionskommune im Alleingang seine Langzeitarbeitslosen vermitteln wird.
Renzel sieht sich mit neuen Fragen konfrontiert: Wie will die Kommune allein es richten? Welche Konzepte anstoßen, um künftig wirkungsvoller zu vermitteln? Der Dezernent sieht das Heilmittel in kommunalen Netzwerken, in der Nähe zu Beschäftigungsträgern. Plötzlich ist in der so viel gepriesenen Zusammenarbeit die Bundesagentur ein „Tanker“, der gute Ideen blockiert. Doch die Idee krankt am Geld. Schon im Herbst äußert Renzel in Gesprächen, dass klar sei, dass der Bund im Januar 2012 weniger Geld für die Qualifizierung Langzeitarbeitsloser zur Verfügung stellen wird. Und damit drängt sich die Frage auf: Wie die Aufgabe stemmen? Denn gleich wie gut die Netzwerke vor Ort sind, sie kosten Geld.
Beitrag schrumpft
Dann folgten gleich zwei Einschläge: Die Meldung, dass der Betrag weiter als befürchtet schrumpft, nämlich auf 48 Millionen Euro (im Jahr 2010 gab es 34 Millionen Euro mehr). Der zweite Einschlag dürfte dem Dezernenten die Financial Times Deutschland aus der Hand gehauen haben. Denn in dem Blatt äußerte jüngst Bundes-Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise Zweifel an der Eignung der Stadt als Optionskommune. Renzel beeilt sich, öffentlich klarzustellen, dass man die administrativen Hausaufgaben erledigt habe, nicht wie von Weise befürchtet weitere Gehhilfen brauche, um die Hartz IV-Zahlungen ab Januar sicherzustellen.
„Ihre Aussagen, sehr geehrter Herr Weise, führen leider zu einer unnötigen Verunsicherung der Öffentlichkeit und insbesondere zu einer kontraproduktiven Beunruhigung der SGB II-Kunden“, antwortet Renzel in einem offenen Brief. Doch hat der Dezernent nicht selbst für Verunsicherung gesorgt? Hatte die zwischenzeitlich versetzte Essener Arbeitsagentur-Chefin Katja Wilken-Klein mit Ihrer Kritik an Essens Optionskommunen-Bewerbung noch für Irritation gesorgt, so gab sich ihr Nachfolger Torsten Withake zurückhaltend. Withake selbst hatte das Essener Jobcenter bis zu seinem Wechsel an die Spitze der Essener Agentur geleitet. Verständlich, dass er die eigene Arbeit nicht kleinreden will.
Der Langzeitarbeitslosen Herr werden
Umso unverständlicher erscheint die Kritik des neuen Jobcenter-Chefs Dietmar Gutschmidt: Der beklagte jüngst, es gebe im Jobcenter Kunden, „deren Potenzial wir nicht genügend in den Blick genommen haben.“ Dabei war Gutschmidt vor dem Wechsel an die Spitze für das operative Geschäft des Jobcenters zuständig, hätte mithin Verbesserungen nicht nur anregen, sondern umsetzen können.
Die Antwort indes, was konkret auf den Weg gebracht werden soll, um der ständig wachsenden Zahl Langzeitarbeitsloser Herr zu werden, bleiben Renzel und Gutschmidt schuldig: Ein neuer Arbeitgeberservice soll es richten. Mehr Vermittler, die in Firmen gehen und dorthin passgenau Langzeitarbeitslose vermitteln.
Das klingt nicht schlecht, ist aber nicht neu. Es gibt bereits einen Arbeitgeber-Service, der Menschen in die Betriebe begleitet. Eine weitere Stellschraube, die passgenaue Qualifizierung durch Bildungsträger, dürfte daran kranken, dass die Mittel so sehr zusammengestrichen sind.