Essen. „Essen, die Einkaufstadt“ - so steht es in großen Lettern seit den 50er Jahren auf dem Handelshof. Der gute Ruf hat mit der Zeit gelitten, doch die jüngsten Nachrichten polieren das angekratzte Image ein wenig auf.
An der Kettwiger Straße hat das irische Modehaus Primark eröffnet, der französische Sportsupermarkt Decathlon will seine Zelte in der Rathaus-Galerie aufschlagen und Möbel Roller richtet sich wohl im ehemaligen Toom-Baumarkt neben Ikea ein; eine Bauvoranfrage liegt dem Planungsamt vor.
Erlebt der Einzelhandel eine Renaissance? Einiges spricht nach Einschätzung der Verwaltung dafür - nicht nur in der Innenstadt und auch nicht nur in Stadtteilzentren wie Altenessen oder Borbeck, wo nach langer Durststrecke Kaufland baut. Gerade in jenen Stadtteilzentren, die weniger bedeutend sind, aber für die Nahversorgung gleichwohl unverzichtbar, vollzieht sich derzeit ein Wandel, eine „Revolution von oben“, bei der Politik und Verwaltung kräftig nachgeholfen haben.
"Wir haben sie dahin geprügelt"
Noch in den 1990er Jahren drängten große Lebensmittel-Discounter von Karnap bis Kettwig in die Gewerbegebiete. Niedrige Grundstückspreise, die Aussicht auf fußballfeldgroße Parkplätze vor der Ladentür und Kunden, die in Kauf nehmen, dass sie mobil sein müssen, bestärkten diesen Trend. Inzwischen registriert die Planungsverwaltung, dass Aldi, Lidl, Rewe und Co. in die Stadtteilzentren zurückkehren. Nicht weniger als 30 Projekte sind derzeit in Bau, Planung oder bereits realisiert. Auch dort, wo sich Stadtplanung lange schwer getan hat, am Katernberger Markt etwa oder in Karnap, wo sich Rewe am Marktplatz niederlassen wird. In Kupferdreh baut Aldi, auch dort mitten im Ortskern.
Zugegeben, die Discounter kehren nicht freiwillig zurück, räumt Planungsdezernent Hans-Jürgen Best ein. „Wir haben sie dahin geprügelt.“ Würde die Stadt dem großflächigen Einzelhandel Niederlassungsfreiheit zugestehen, das gut erschlossene Gewerbegebiet stünde neben der grünen Wiese als Wunschadresse weiterhin ganz oben auf der Liste.
Nicht von ungefähr greift die Stadt zu planungsrechtlichen Kniffen. Um zu verhindern, dass sich Discounter dort ansiedeln, wo sie nicht erwünscht sind, erlässt sie Veränderungssperren und ändert Bebauungspläne - zwischen 2006 und 2010 kam es so allein in Gewerbegebieten zu 52 Aufstellungsbeschlüssen. Im selben Zeitraum verzeichnete die Stadt 800 Anfragen, in der Regel von den großen Einzelhandelsketten die sich für einen Standort interessierten.
Was wo geht und was nicht,
Dass zwei von drei Interessenten klein bei gaben, schreibt die Planungsverwaltung dem 2010 modifizierten Einzelhandelskonzept zu. Was wo geht und was nicht, schreibt das Konzept trennscharf fest. Als Steuerungsinstrument hat es sich nach Einschätzung der Verwaltung bewährt. Auch wenn die Politik gelegentlich daran erinnert werden müsse, welches Ziel sie mit dem Einzelhandelskonzept verfolge.
Schon vor Jahren ließ der Planungsausschuss großflächigen Einzelhandel am Wolfsbankring in Borbeck wider besseren Wissens zu. Als es jüngst um den Ansiedlungswunsch eines Discounters an der Rotthauser Straße in Kray ging, fand dies in der Politik auch Befürworter - obwohl das Konzept dagegen sprach. 400 Meter liegen zwischen dem Standort und dem Krayer Zentrum - 400 Meter, die über Wohl oder Wehe eines Stadtteils entscheiden können.