Essen. . Kinderarzt Raphael Schwiertz (31) ist Deutschlands einziger „Väterbeauftragter“ und arbeitet am Essener Uniklinikum. An der ganzen Uni, die als “Familiengerechte Hochschule“ zertifiziert wurde, tut sich eine Menge in Sachen Familienfreundlichkeit.
Öffentliche Väter gibt es eigentlich so gut wie keine, mal abgesehen von „Vader Abraham“, aber der zählt nun wirklich nicht. Väter werden eigentlich nur dann ein Thema, wenn sie a) abhauen, b) gewalttätig werden oder c) ihre Vaterschaft vor Gericht bestreiten. Es ist noch keine fünf Jahre her, da konnte man bei der Suchmaschine „Google“ das Wort „Vätergruppen“ eingeben, und „Google“ fragte einen zurück: „Meinten Sie Tätergruppen?“
Um so überraschender ist es, dass ausgerechnet eine Branche, die nicht gerade für familienfreundliche Arbeitszeiten bekannt ist, Deutschlands derzeit einzigen „Väterbeauftragten“ hervorbringt: die Medizin. Raphael Schwiertz (31) arbeitet als Kinderarzt am Uniklinikum Essen.
Seit knapp einem Jahr übt er dieses Amt aus; die Leiterin des Betriebskindergarten des Uniklinikums hatte ihn gefragt, man suche einen engagierten Vater, hieß es, „und da hab’ ich kurz gezuckt, und dann war es schon fast passiert.“
"Es gibt Bereiche in der Medizin, die sind sicher noch viel stärker männerdominiert"
Schwiertz und seine Frau, die ebenfalls als Medizinerin arbeitet, haben zwei Söhne, drei Jahre und sechs Wochen alt, und Schwiertz hat sich ein ganzes Jahr Auszeit genommen, als der große Sohn ein Jahr alt war; seine Frau stieg wieder voll ein. „Es gab viele Reaktionen, positive oder auch erstaunte, aber eigentlich kein negatives Echo“, berichtet Schwiertz. „Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich als Kinderarzt arbeite – es gibt Bereiche in der Medizin, die sind sicher noch viel stärker männerdominiert.“
Schwiertz ist voller guter Erinnerungen an sein Auszeit-Jahr, selbst das Leben als Exot machte ihm nichts aus: „Auf dem Spielplatz war ich bis 16 Uhr immer der einzige Mann, dann hatten die ersten anderen Väter Feierabend.“ Doch nach einem Jahr, sagt er ganz offen und ehrlich: „Habe ich ich mich auch wieder auf die Arbeit gefreut.“ Denn was er sehr wohl gemerkt hat, bei aller Freude übers Kind: „Manchmal fehlt die Wertschätzung und Anerkennung für das, was man tut.“ Nicht vom Partner, aber so ganz allgemein, „von der Gesellschaft.“ Manche Frauen und Mütter, die diesen Text lesen, werden jetzt wohl wissend nicken und können im Chor rufen: „Ach nee, sag bloß!“
An der ganzen Uni tut sich eine Menge in Sachen Familienfreundlichkeit. Im letzten Jahr erhielt die Hochschule das Zertifikat „Familiengerechte Hochschule“ von der Hertie-Stiftung. Auf dem Campus gibt es eine Kita; und auf dem Gelände des Klinikums steht Essens einzige reine Betriebs-Kita mit traumhaften Öffnungszeiten von sechs bis 19 Uhr. Die Uni-Klinik hat das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Studium“ zu ihrem „Jahresmotto 2011“ erklärt, und die Nominierung eines „Väterbeauftragten“ ist Teil der Aktion.
„Das Elterngeld ist attraktiv, das spricht sich ‘rum“
Zu Schwiertz kommen Kollegen, die Fragen haben zu Anträgen auf Elterngeld und -zeit. „Das Elterngeld ist attraktiv, das spricht sich ‘rum“, hat Schwiertz festgestellt, wenn auch „neun von zehn Vätern die zwei Partner-Monate nehmen und nicht mehr“. Immerhin, findet Schwiertz: ein Anfang. „Vor zehn Jahren wäre das doch noch undenkbar gewesen.“
Schwiertz schätzt, dass er künftig auch mal schlichtend eingreifen muss, wenn Ober- und Chefärzte Probleme damit haben, dass ein Vater aus der Abteilung früher nach Hause will, weil sein Kind krank geworden ist. „Ich kann mich darauf verlassen, dass ich die gesamte Uniklinik-Leitung im Rücken habe. Das Thema ,Vereinbarkeit’ wird im Hause sehr ernst genommen, denn auch hier ist mittlerweile erkannt worden, dass zufriedene Mitarbeiter langfristig produktiver sind.“ In seinem Jahr als Vater daheim ist Raphael Schwiertz übrigens nur eins manchmal auf die Nerven gegangen – nicht die unruhigen Nächte, nicht die vollen Windeln, nicht die intellektuelle Unterforderung, wenn Stunden mit einem Kleinkind sich wie Kaugummi ziehen. Sondern: „Die Hausarbeit.“