Essen. Die neue Lehrer-Ausbildung schreibt mehr Praxis während des Studiums vor. Die ersten „Eignungspraktikanten“ haben jetzt an den Schulen angefangen. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.

Jeder denkt, er kennt die Schule. Schließlich war man ja eine ausreichende Zeit selbst vor Ort. Die Sache ist bloß: Die meisten kennen Schule nur – als Schüler. Das ist vor allem dann von Belang, wenn man sich überlegt, zur Schule zurückzukehren – als Lehrer.

„Vor dem Praktikum dachte ich, ich weiß doch eh, wie’s läuft“, sagt Marvin Hoffmann (20). In diesem Frühjahr hat er am Maria-Wächtler-Gymnasium in Rüttenscheid Abitur gemacht. Und jetzt ist er schon wieder in einer Schule: Am Gymnasium Werden, als Eignungspraktikant. Vier davon haben dort erstmals angefangen, sie bleiben vier Wochen.

Im Oktober starten die neuen Lehramts-Studiengänge an der Uni Duisburg-Essen, erstmals reformiert nach dem Bachelor- und Master-Prinzip. Die Reform der Lehrerausbildung bringt deutlich mehr Praxisanteile mit sich; insgesamt soll die Lehrerausbildung lebensnäher werden. Das „Eignungspraktikum“, das am besten vor dem Studienstart und spätestens vor dem Referendariat absolviert werden muss, soll dazu beitragen, dass Kandidaten früh erkennen, ob der Job überhaupt etwas für sie ist. Organisiert wird das alles, das nur mal nebenbei erwähnt, selbstverständlich von den Schulen; die Betreuung, Beratung, Begleitung von Praktikanten erfolgt durch Lehrer, neben dem Unterricht, und es ist beileibe nicht so, dass das Land dafür irgendein zusätzliches Stundenkontingent spendiert.

Lehrer unterrichten nicht nur

Wie auch immer: Marvin hat festgestellt, dass er jetzt, in seiner neuen Funktion als werdender Lehrer, sich erst mal „zwischen allen Fronten“ begeben hat: „Wenn man sich hinten zu den Schülern setzt, dann reden die mit einem, als gehörte man zu ihnen.“ Also: Setzte er sich nach vorne, neben das Lehrerpult. „Wenn man den Schülern in die Augen guckt“, hat Marvin festgestellt, „hören die sofort auf, im Unterricht zu tuscheln.“

Lars Francke (20), der im Sommer das Bredeneyer Grashof-Gymnasium verlassen hat und jetzt Lehrer für Englisch und Geschichte werden will, hat außerdem erste Erfahrung mit dem Phänomen „Papierstau im Kopierer“ gemacht: „Da kopiert man schon mal 650 Seiten. Jetzt weiß ich, was meine Lehrer früher immer meinten, wenn sie zu spät kamen und sagten, der Kopierer ist schuld.“ Und überhaupt: Lehrer unterrichten ja gar nicht nur, hat Lars festgestellt, sondern bereiten Klassenfahrten vor, kopieren Unterlagen für den nächsten Elternabend, und wenn sie in weiteren Funktionen sind, dann jonglieren sie auch mit dem Stundenplan - Kurse umlegen, Vertretungen organisieren.

„Die Stunden kommen mir jetzt kürzer vor als früher"

Thomas (20, will Bio und Chemie studieren) hat in dieser Woche schon seine erste Stunde gegeben. Er hat festgestellt: „Die Stunden kommen mir jetzt kürzer vor als früher, als ich noch Schüler war.“ Das liegt daran, dass die Lehrer, die die Praktikanten begleiten, den Nachwuchs in ihre Methodik einweihen, Lernziele vorher erklären, Systematiken aufzeigen. „Ich frag’ mich jetzt erstmals häufig, warum die Schüler nicht auf die eine oder andere Antwort kommen“, berichtet Lars. Was ihm außerdem aufgefallen ist: „Wenn man vorne steht oder sitzt, neben dem Lehrer – die Schüler beobachten einen sehr genau, wie man reagiert.“ Wenn man so will: Die Schüler wollen herauskriegen, ob jemand, der 20 Jahre alt ist, sich dann doch noch mehr als Schüler fühlt – oder sich mit dem Lehrer identifizieren kann. Ist letztes der Fall, ist das ein gutes Zeichen.