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Nicole Kamps ist geistig behindert, taub, blind – und lebenshungrig. Sie lebt mit 21 Mitbewohnern im Haus Drostenbusch der Lebenshilfe Essen.

Sie ist aufmerksam, als die Betreuerin ihr ein Wurstbrot belegt. Nicole Kamps greift nach ihrer Hand und will fühlen, was passiert, denn sehen kann sie nichts. Die 40-Jährige lebt im Haus Drostenbusch der Lebenshilfe. Sie ist geistig behindert, taub und blind.

Nicole Kamps zog 1997 ein. So lange gibt es die Wohnstätte in Stoppenberg. Heute leben dort 22 Bewohner, die geistig behindert sind, manche auch körperlich oder psychisch. Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Erzieher oder Hausmeister gehören zum Team. Nachts sind immer zwei Mitarbeiter da, tagsüber fünf bis sechs Betreuer. Sie alle arbeiten, damit die Bewohner selbstbestimmt leben können, beschreibt Wohnstättenleiterin Kerstin Busch.

Menschen mit Mehrfachbehinderung wurden oft nur "verwahrt"

Für einige der Bewohner ist das Zuhause eine geschlossenes Haus. So wie für Nicole Kamps. Mit ihr kamen zehn Bewohner aus der Landespsychiatrie. Menschen, teilweise mit schwerer Mehrfachbehinderung, die mitunter verwahrt worden sind, ihre Bedürfnisse nicht äußern konnten und unter Nebenwirkungen hoch dosierter Psychopharmaka litten, sagt Kerstin Busch. Ein junger Mann kauerte anfangs ängstlich auf dem Boden im Bad.

Von Nicole Kamps hieß es, sie wolle keinen menschlichen Kontakt. Stattdessen signalisierte sie aber: „Ich will leben“, sagt Kerstin Busch, die sich mit der Bewohnerin im Urlaub oft ein Zimmer teilt. Gerade waren sie zwei Wochen auf Texel. Die 40-Jährige geht am liebsten schwimmen.

Lebenshilfe Essen feiert 50-jähriges Bestehen mit einem "Fest der Sinne"

Ihre Betreuer erkennt sie an den Händen, spürt, wenn sich jemand freut und lacht dann. Sie verstehen sich, ohne zu sprechen, denn das kann die 40-Jährige nicht. Sie merkt aber sofort, wenn ihr schwer kranker Mitbewohner nicht im Gemeinschaftsraum in seinem Bett neben der Voliere mit seinen Vögeln liegt. Dann sucht sie ihn in ihrem Rollstuhl, tastet sich durch die Zimmer. Wo sie sich im Haus befindet, fühlt sie am Bodenbelag. Sie will immer barfuß sein. Wenn sie etwas nicht will, zeigt sie das. Manchmal streiten sie, sagt Kerstin Busch. „Sie ist eine stolze, eigenwillige Frau. Lebenshungrig und meistens fröhlich.“

Nicole Kamps isst Apfelmus mit dem Löffel, alles andere nur mit Händen. Sie hat gelernt, mit kleinen Gesten zu zeigen, wenn sie Durst hat. In der Psychiatrie habe es feste Zeiten zum Trinken gegeben.

Heute gehen die Bewohner mit ihren Betreuern Lebensmittel einkaufen, helfen kochen und sind im Alltag eingebunden. Gerade haben sie Einladungen bei den Nachbarn eingeworfen. Am kommenden Samstag beginnt um 11 Uhr ihr Fest der Sinne, denn die Lebenshilfe Essen feiert 50-jähriges Bestehen. Es gibt Nordessener Spezialitäten, Musik und ein Tiergehege am Drostenbusch 110.