Essen. .

Der Gemüse-Lieferservice „Flotte Karotte“ expandiert. Was in einem Fiat-Panda und mit 17 Kunden begann, hat sich mittlerweile zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt: 1000 Kunden bekommen heute Obst, Gemüse, Brot und Milch frei Haus geliefert.

Einen Einkaufszettel braucht Nicola Kramer (40) eigentlich nicht: Die wichtigsten Lebensmittel bekommt sie Woche für Woche frei Haus geliefert. Die Bewegungstherapeutin hat für sich und ihre Familie eine Gemüsekiste beim Lieferservice „Flotte Karotte“ abonniert. „Ich bin von Anfang an dabei, habe die Kundennummer 5.“

Der Anfang, das war 1996, als Christian Goerdt, der zuvor einen Bio-Hof betrieben hatte, die junge Idee der Gemüsekiste nach Essen brachte. In einem Fiat Panda fuhr er Kisten zu Kunden. 17 waren es damals - jüngst konnte er den 1000. in seine Kartei aufnehmen. Heute hat er drei Transporter, die man an der auf dem Dach montierten Monster-Möhre erkennt. Der vierte Wagen ist bestellt. Geblieben ist das Prinzip, dass die Kisten Bio-Gemüse enthalten, „und dass Regionales und Saisonales bei uns Vorfahrt hat“. 25 Euro koste eine durchschnittliche Kiste die neben Obst und Gemüse auch Brot, Milch - und Rezepte - enthalte. (Es gibt auch Extra-Kisten für stillende Mütter oder für Berufstätige).

Nicola Kramer hat die Idee gleich gefallen: „Einkaufen finde ich doof, da lass’ ich mich lieber überraschen, was die Kiste bringt.“ Mitte 20 war sie und gerade zu ihrem damaligen Freund (und heutigen Mann) nach Essen gezogen, aus dem Saarland, „wo gutes Essen ein Top-Thema ist“. Vom Kochen hatte sie noch wenig Ahnung, darum gefiel ihr der Aufforderungscharakter der Kiste: „Die Sachen sind da, man muss sich mit ihnen befassen, sie zubereiten.“

Bataten, Pastinaken und Topinambur

Manchmal hätten sie ratlos in die Kiste geschaut, beim Anblick schrumpeliger Äpfel oder unbekannter Gemüse: Bataten, Pastinaken oder Topinambur. Meist habe sie im „Kursbuch gesunde Ernährung“ nachgeschlagen, mit welcher Süßkartoffel, welcher Wurzel sie es zu tun habe, oder sie habe ihre Mutter angerufen: „Mama, wie koche, brate, dünste ich das?“ Auch heimische Erzeugnisse wie Teltower Rübchen oder Stielmus können exotisch sein, wenn man mit ihnen nicht vertraut ist. „Stielmus kannte ich nicht, das sah für mich aus wie ein Bündel geschnittenes Gras.“

Trotzdem ließ sie sich darauf ein, bereitete Stielmus nach Hausfrauenart zu und in Gourmet-Version mit Lachs. Schmecken tut es ihr bis heute nicht, sie bestellte es ab: „Das kommt mir nicht in die Kiste.“ Doch das Prinzip, dass das Abo sie zwingt, sich mit unbekannten Genüssen auseinanderzusetzen, gefällt ihr. „Manches hätte ich im Supermarkt nie in den Wagen gepackt.“

Auch ihre sechs Jahre alte Tochter begegne der Überraschungslieferung mit großer Neugier; sie esse gern Brokkoli, Blumenkohl oder Mangold. Und schon als Kleinkind habe sie Rote Beete geliebt. „Wenn die kamen, musste ich sie sofort gekochen. Sobald sie fertig waren, hat meine Tochter sie noch warm aus dem Topf gefischt.“ Gewiss, Rote Beete müssten lange gekocht werden und frischen Spinat müsse man aufwendig putzen; doch in beiden Fällen werden einem der Aufwand geschmacklich vergolten. Bewusste Ernährung sei ihr wichtig, sagt Nicola Kramer, aber als berufstätige Mutter habe sie keine Zeit, Bio-Höfe abzuklappern. So vertraue sie Christian Goerdt, dessen Flotte Karotte sie seit 15 Jahren begleitet: „Ich hab ihn noch erlebt, als er selbst knallorange gekleidet die Kisten ausfuhr.“