Essen. . Die Hauptschulen haben keine Zukunft mehr, in Essen nehmen nur noch sechs von 13 städtischen Hauptschulen Anmeldungen an. Trotzdem werden noch Referendare ausgebildet. Wozu eigentlich?
Es gab viele Leute, die die Hände vor Entsetzen überm Kopf zusammenschlugen. „Oh Gott, hast du dir das wirklich gut überlegt?“ Diese Reaktion musste sich Katharina Grosse (27) vielfach anhören, als sie sich nach ihrem Lehramts-Studium dazu entschied, ihr zweijähriges Referendariat an einer Hauptschule zu machen. Ausgerechnet.
Die Hauptschule gilt als tot. In Essen nehmen seit zwei Jahren nur noch sechs von 13 städtischen Hauptschulen überhaupt Anmeldungen an
Die Auflösung der anderen Häuser ist längst beschlossen. Und alles deutet darauf hin, dass selbst sechs Hauptschulen in Essen noch zu viele sind: Zu wenige Kinder werden dort insgesamt angemeldet.
Trotzdem werden Hauptschulen noch mit Referendaren versorgt. Die Uni Duisburg-Essen, eine der größten Lehrer-Ausbilder des Landes, bildet Lehrer bis Klasse zehn „mit dem Schwerpunkt Haupt-, Real- und Gesamtschulen“ aus, so heißt es offiziell. An der Hauptschule Wächtlerstraße (Südostviertel) gibt es vier Referendare.
Das ist das richtige hier
Katharina Grosse unterrichtet Englisch und Hauswirtschaft. Hauswirtschaft wird vor allem an Hauptschulen angeboten. Deshalb wollte sie an eine Hauptschule. Obwohl auch sie zunächst Vorbehalte hatte, räumt sie ein: „Doch nach dem ersten Tag an dieser Schule wusste ich sofort: Das ist das richtige hier.“
Christian Kappe (25) hatte in den Formularen für sein Referendariat angegeben: “Schulform egal“. „Viele Freunde haben mir gesagt, ist doch gut, dann bist du richtig abgehärtet, dann kann dich nichts mehr schocken.“
Kappe stammt aus Waltrop, Katharina Grosse kommt aus Paderborn. In ländlichen Regionen ist die Hauptschule noch stärker gefragt. Doch Kappe entschied sich bewusst für die Wächtlerstraße: „Dies ist eine Ganztagsschule. Der Ganztagsschule gehört die Zukunft.“ Beide sind sich sicher, dass sie an der Wächtlerstraße hervorragend ausgebildet werden: „Diese Kinder werden weiter kommen, auch wenn die Schule anders heißen wird.“
Und übrigens: So schlimm wie immer alle glauben, sei es gar nicht. „Es gibt hier Zusammenhalt und einen durchaus liebevollen Umgang zwischen den Schülern, und Respekt ist ein großes Thema“, sagen beide. „Konflikte gibt es, klar, aber die haben selten mit den Ethnien zu tun.“
Alltagsbegriffe sind unbekannt
Doch sich erst mal einstellen auf die Schüler – das mussten sie sich schon. „Besonders in Hauswirtschaft in der Alphabetisierungsklasse“, sagt Katharina Grosse. Eine Alphabetisierungsklasse wird besucht von Jungs und Mädchen zwischen 10 und 14, die sich kaum ausdrücken können. „Ich musste mir erst mal angewöhnen, langsamer zu sprechen.“ Dass die Schüler Alltagsbegriffe wie „Sieb“ und „Topf“ nicht kennen. Also behalf sich die Referendarin mit Fotos.
Zukunfts-Ängste? „Überhaupt nicht“, sagen beide. „Wir glauben eher, dass das, was wir hier lernen, ewig gefragt sein wird.“ Da werden sie wohl Recht haben: Rund 40 Prozent der Essener Bürger unter 18 Jahre haben ausländische Wurzeln. Tendenz: steigend.
Jugend kocht