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Im Projekt „Lernen wie man lernt“ des Kinderschutzbundes werden benachteiligte Kinder betreut und gefördert. Ariane Hessami, Sozialpädagogin an der Hövelschule, ist überzeugt, dass viele Kinder auf eine solche Chance warten, und viele Eltern auch.

Nie würde Ariane Hessami etwas Schlechtes über die Hövelschule sagen, im Gegenteil, sie schildert ihren Arbeitsplatz als einen Ort mit „Wohlfühlklima“. Doch die Sonderpädagogin hat den seltenen Mut, auch die Grenzen ihrer Schule offen zu benennen und zuzugeben, dass einige Schüler zusätzliche Hilfe brauchen. Sie finden diese Hilfe im Projekt „Lernen wie man lernt“ des Kinderschutzbundes.

Bestehende Förderangebote reichen nicht aus

Die Hövelschule liegt in Altenessen, 80 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund, und auch viele der deutschen Kinder kämpfen mit ihrer Muttersprache. Es gibt etliche Förderangebote und AGs, Sozialpädagogin und Lesemütter, Elterncafé und „Bärenstark“-Gruppe. . . Die Kinder stammen aus 20 Nationen und sprechen darum Deutsch miteinander, Adventszeit und Weihnachtsgottesdienst werden von allen gemeinsam gefeiert. Kurzum, es wird viel getan, um Ressentiments ab- und Respekt vor einander aufzubauen.

Außerdem besuchen 100 der 300 Schüler den Offenen Ganztag, wo sie nicht nur ein Mittagessen und Hilfe bei den Hausaufgaben bekommen. Regelmäßig wechseln nur ein bis zwei der Viertklässler auf die Hauptschule. „Uns geht es nicht um möglichst viele Kinder mit Gymnasialempfehlung, sondern darum, allen unseren Schülern eine gute Perspektive zu ermöglichen.“

Sie haben viele Geschwister und wenig Ruhe

Es gibt aber Kinder, denen auch die Hövelschule eine solche Perspektive nicht bieten kann, „weil sie diverse Lernschwierigkeiten haben und das Erledigen der Hausaufgaben immer ein großes häusliches Problem dargestellt hat“, erklärt Ariane Hessami. Will sagen: In ihren Familien gibt es viele Geschwister und wenig Platz, der Lärmpegel ist hoch und der Wille oder die Fähigkeit der Eltern, ihren Kindern bei den Aufgaben zu helfen, sind nicht ausgeprägt; etwa weil sie schon lange von Sozialleistungen leben und keine Hoffnung mehr haben, dass sich das noch einmal ändert. „Viele Kinder haben keine große Leistungsbereitschaft, weil ihnen das zu Hause niemand vorlebt.“

Es sind Schüler, die besondere Zuwendung und Ermutigung brauchen, und das Projekt „Lernen wie man lernt“ ist ein Ort, an dem sie beides bekommen. „Als ich meine Schüler in dem Projekt besuchte, fand ich eine friedliche, ruhige und konzentrierte Atmosphäre.“ Was auch deshalb möglich ist, weil sich beim Kinderschutzbund fünf haupt- und ehrenamtliche Kräfte um 20 Kinder kümmern. „Einen solch’ komfortablen Personalschlüssel hat die Hausaufgabenbetreuung an unserer Schule nicht, bei uns sind 20 Kinder in einer Gruppe“, sagt Hessami.

Gerade für Schüler aus kinderreichen Familien, die oft auf die kleinen Geschwister aufpassen müssen, sei es wichtig, dass sich jemand Zeit für sie nimmt, sich ganz allein um sie kümmert. Eine so individuelle Förderung sei oft weder zu Hause noch an der Schule möglich. Tatsächlich, so hat es die Pädagogin erlebt, empfinden die Kinder das Angebot keineswegs als lästige Verlängerung des Schultages - im Gegenteil. „Alle Kinder nehmen dort gern teil. Dank der intensiven Betreuung sind sie bereit, sich den schulischen Anforderungen zu stellen.“

Ein Ausflug in die Gruga ist fast wie Urlaub

Das liegt auch daran, dass sich das Projekt nicht im betreuten Lernen erschöpft, sondern Spiel und Sport mit einbezieht; auch in den Ferien. Immer wieder erzählten ihre Schüler begeistert von Ausflügen; etwa in den Grugapark, wo sie in einer Kita des Kinderschutzbundes übernachtet haben. Für manche war das wie eine Urlaubsreise. Anderen tue es einfach gut, sich einmal außerhalb der Schule bewegen zu können: „Ich habe einen Jungen erlebt, der immer allein auf dem Schulhof war, hier hat er eine ganz neue Rolle gefunden.“

Ariane Hessami ist überzeugt, dass viele Kinder auf eine solche Chance warten, und viele Eltern auch. Es gebe auch leistungsorientierte Migranten und solche, die sich mehr Kontakt zu Deutschen wünschten. Nur sei das schwierig in einem Stadtteil, aus dem die deutsche Mittelschicht fortziehe. „Und viele Libanesen, die hier seit Jahrzehnten bloß geduldet werden, machen nur deswegen keine Pläne für sich und ihre Kinder.“ Darum wünsche sie sich für viele ihrer Schüler einen Platz im Projekt „Lernen wie man lernt“, wo sie Kind sein und sich entwickeln dürfen: „Eigentlich geht es hier darum, Leben zu lernen“.