Essen.

Messe-Chef Frank Thorwirth hat die Notwendigkeit eines moderaten Ausbaus der Messe unterstrichen - es sollen die letzten zu Lasten der Gruga sein. Eine erneute Investition in Höhe von rund 100 Millionen Euro sei aber unabdingbar.

Herr Thorwirth, wozu braucht Essen eine Messe?

Frank Thorwirth: Das fragen Sie nicht im Ernst?

Doch, denn die Frage wird ja durchaus diskutiert.

Eine Messe ist Wirtschaftsförderung und Marketing-Instrument in einem. Jeder Euro, der hier umgesetzt wird, führt zu einem Mehrfachen an Umsatz in Essen und der gesamten Region. Nach einer seriösen, durchaus konservativen Studie über die Sekundäreffekte hängen 3500 Arbeitsplätze allein in Essen mittelbar an der Messe. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Messe kriegen Sie mit solchen Zahlen aber nicht einmal ermittelt. Sie ist bedeutend höher. Das, was wir an Marketingleistungen indirekt erbringen, ist für Essen Wirtschaftsförderung und zugleich Imagegewinn pur.

Ist eine Messe mittlerer Struktur wie Essen überhaupt auf Dauer lebensfähig oder gehört die Zukunft nicht vielmehr Großmessen wie Düsseldorf?

Nein, ganz im Gegenteil. Über 70 Prozent des Messegeschäfts spielen sich in der Größenordnung von Messeveranstaltungen bis rund 100.000 Quadratmetern ab. Das heißt wir spielen im Hauptmarkt, und dort haben wir eine gute Position, die wir nicht verlieren wollen. Die Messe Essen hat zehn Veranstaltungen, die in ihrer jeweiligen Branche wirklich die Nummer eins sind. Das heißt, da kommen die Entscheider zusammen, hier in Essen finden das Networking und die strategischen Weichenstellungen statt. Im Bewusstsein vieler Essener ist das gar nicht so verankert, dabei ist es sensationell und von großem Nutzen für die Stadt.

Das heißt, es kommt nicht so darauf an, der größte bei den Quadratmetern zu sein?

Der Trend geht in der Tat dahin, auch kleine, sehr individualisierte Fach-Themen anbieten zu können, Nischen-Messen, bei denen sich Fachleute treffen und in ihrer spezialisierten Thematik bewegen. Heute will man sich aber nicht mehr auf einem Riesengelände verlaufen. Genau in diesem Segment bewegen wir uns, und es wäre eine Schande, das aufzugeben.

Aber Essen muss damit leben, dass erfolgreiche Veranstaltungen aus der Messe irgendwann herauswachsen wie jüngst die Fibo?

Das ist so, im Einzelfall.

Dann könnte man ja sagen, alles bestens. Warum wollen Sie dann wachsen?

Wir wollen in Qualität und in Spezialthemen wachsen und gleichzeitig das Gelände ertüchtigen. Wir haben als Messe Essen ein paar handfeste Vorteile: die zentrale Lage in Deutschland und Europa, ein vernünftiges Veranstaltungsprogramm, eine gute Mannschaft, für die Service ganz oben steht, und viel Expertise bei den Spezialthemen. Was wir in Teilbereichen nicht haben, sind moderne Hallen. Beim Urlaub auf dem Bauernhof haben Sie früher Bad und WC auf dem Gang klaglos akzeptiert. Heute erwarten die meisten ein modernes Appartement mit Dusche und WC integriert. So ähnlich stellt sich das für die Aussteller, also unsere Kunden, auch dar. Die Ansprüche steigen, und wir können uns da nicht ausklinken. Die alten Doppelstockhallen tragen zu wenig zu unserem Ergebnis bei. Für unsere Kunden, das wissen wir aus vielen Gesprächen, ist es eminent wichtig, dass die Modernisierung kommt.

Was würde denn passieren, wenn nicht?

Ich sage das nicht gerne, aber dann bestünde die Gefahr, dass sich unser Ergebnis weiter verschlechtert. Das ist keine leichtfertige Aussage. Das ist das Ergebnis eines anderthalbjährigen Prozesses unter Beteiligung von Gremien und Experten, an dessen Ende der Verwaltungsvorschlag steht, der dem Rat der Stadt heute vorliegt.

Hätte die Messe dann ihre endgültige Größe erreicht? Mancher befürchtet eine Art Salamitaktik, bei der immer neue Teile des Grugaparks zur Disposition stünden.

Ein weiteres Hineingehen in den Grugapark wird und kann es nicht geben, weil wir um die Grenzen des Geländes wissen. Zweitens bewegen wir uns in diesem Markt, den ich eben skizziert habe. Das heißt, mehr Quadratmeter brauchen wir definitiv nicht. Aber: Weniger dürfen es definitiv eben auch nicht sein.

Kommen wir zu den Finanzen. Da gehen verschiedene Zahlen durcheinander...

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Von DerWesten

Die Zahlen waren nicht durcheinander, als wir sie kommuniziert haben. Sie stehen zwar in einem Verhältnis zueinander, dürfen aber nicht einfach aufaddiert werden. Zunächst: Warum brauchen wir eine Bürgschaft der Stadt? Wegen unseres geringen Stammkapitals kriegen wir am Markt ohne Bürgschaft kein Kapital. Wir brauchen aber Kredite in Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro für die Ertüchtigung. Dann zweitens der Verlustausgleich. Wenn wir das Geld am Kapitalmarkt aufnehmen, müssen wir natürlich Schuldendienst leisten. Das schlägt sich dann zusätzlich in unserer Bilanz nieder. Das heißt, unsere Messe-Veranstaltungen an sich sind profitabel; unterm Strich haben wir aber natürlich ein negatives Ergebnis. Dafür brauchen wir von der Stadt den Verlustausgleich von rund 10,5 Millionen Euro pro Jahr.

Stehen andere Messen besser da?

Das ist eine Frage der Perspektive. Grundsätzlich stehen wir nicht schlechter da als andere. Die Messe Essen hat aber im Unterschied zu vielen anderen Messen die Finanzierungskosten für die Immobilien in der eigenen Bilanz stehen. Andere Messen haben eine andere Eigenkapital-Ausstattung oder erfahren andere Förderung. Die öffentliche Hand ist dann trotzdem im Boot, aber anders als bei uns - es fällt in der Bilanz sozusagen nicht so auf. Insofern ist unsere Art der Finanzierung transparenter. Nur eines ist klar: Messen gibt es nicht zum Nulltarif.

Die Grünen kritisieren, die Bellini-Bauten hätten keine nennenswerten Erfolge auf der Ertragsseite gebracht.

Ohne den Bellini-Bau würde es die Messe Essen in ihrer heutigen Form nicht geben.

Warum ist die Messe so erpicht auf ein kurzfristiges Signal des Rates?

Im Aufsichtsrat ist Ende 2009 über die Notwendigkeit der Ertüchtigung gesprochen worden. In verschiedenen Zusammensetzungen haben dann in den letzten eineinhalb Jahren der Aufsichtsrat, ein Lenkungsausschuss, sowie externe Fachleute und Experten der Verwaltung alle Alternativen abgewogen. Nun liegen die Ergebnisse vor.

…die eben einen wenn auch kleinen Eingriff in die Gruga vorsehen, was die Sache schwierig macht. Warum sollen diejenigen, die den Park lieben, da mitgehen?

Schon in der Vergangenheit sind viele Dinge möglich geworden, weil Messe und Gruga gemeinsam vorgegangen sind. Eine Ertüchtigung des Messegeländes wäre auch eine Ertüchtigung der Gruga. Wir sind gemeinsam mit der Gruga-Leitung der Überzeugung, dass dies machbar ist. Manches ist auch eine Frage der Gewöhnung. Nehmen wir das Congress-Hotel an der Grugahalle. Auch da hat es den einen oder anderen Kritiker gegeben, jetzt will es doch keiner mehr missen.

Sie sagen, für die neuen Hallen werde es keine „Schönheitswettbewerbe“ geben. Das klingt nicht nach einem architektonischen Gewinn auch für die Gruga.

Wir wollten damit ausdrücken, dass wir sehr sorgfältig mit dem Geld umgehen und keine Luftschlösser bauen, sondern nur das, was wir elementar für nötig halten. Das heißt aber nicht, dass man nicht schön bauen kann. Die neuen Gebäude werden nicht nur unseren Ausstellern gefallen, sondern sicher auch unseren Nachbarn. Unsere gemeinsam mit der Gruga-Leitung erstellte Machbarkeitsstudie steht nicht für das „Machen“ von Quadratmetern. Es geht auch um ein Mehr an Ästhetik für die Gruga.