Essen.

„Momentan sind vor allem Bettler rumänischer Herkunft in der Stadt unterwegs“, weiß das Essener Ordnungsamt. Die elend anmutenden Menschen stören eigentlich niemanden und lösen doch Mitleid und Bedenken aus.

Meistens kauert der Mann bis zu drei Stunden auf den Knien vor einem Discounter an der Rüttenscheider Straße. Sein Geschäft ist das Mitleid: Er bettelt hier vor allem an gut frequentierten Samstagen, wankt mit dem Oberkörper auf und ab, streckt den vorbeieilenden Kunden einen leeren Kaffeebecher entgegen – der ein oder andere wirft seinen Euro aus dem Einkaufswagen hinein. Auf diese Weise betteln womöglich organisierte Banden gezielt dort, wo das Geld locker sitzt: In der Innenstadt, zunehmend auch vor Geschäften in den Stadtteilen: Rüttenscheid, Rellinghausen oder Borbeck. Handelt es sich um wahre Bedürftigkeit oder kalkulierte Mitleids-Maschen?

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„Betteln ist grundsätzlich nicht verboten“, erklärt Norbert Geldermann, der beim Ordnungsamt als Sachgebietsleiter für die allgemeine Gefahrenabwehr und den Außendienst verantwortlich ist. Zumindest, solange still geschnorrt wird. Denn rechtswidrig werde Betteln erst, wenn es in aggressiver Weise passiert – das regelt ein Paragraf der städtischen Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit. Das heißt: „Wenn Bettler jemanden festhalten, angreifen, bedrängen oder hartnäckig belästigen, fällt das unter aggressives Betteln“, erläutert Geldermann. „Dann greifen wir oder die Kollegen der Polizei ein.“

Kaum eine Handhabe gegen stille Bettler

Ansonsten haben die Ordnungskräfte kaum eine Handhabe gegen stille Bettler. „Wir können nur eingreifen, wenn eine Gefährdung oder eine Straftat vorliegt“, sagt Polizeisprecher Raymund Sandach. Oder wenn Minderjährige beim Betteln beteiligt sind. „Platzverweise erteilen wir außerdem, wenn die Bettler Eingänge von Geschäften versperren oder Kunden massiv stören“, so Geldermann.

Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes steuern die Schwerpunktplätze der Bettler regelmäßig an und behalten die Szene im Blick. „Momentan sind vor allem Bettler rumänischer Herkunft in der Stadt unterwegs“, weiß Norbert Geldermann. Die elend anmutenden Menschen sitzen - oft mit verkrüppelten Beinen oder anderen Behinderungen - an der Viehofer, der Kettwiger Straße oder der Porschekanzel in der Innenstadt. Zunehmend aber auch auf der Rüttenscheider Straße oder in Stadtteilen wie Borbeck und Rellinghausen. Sie klagen dort still, stören eigentlich niemanden und lösen doch Mitleid und Bedenken aus: Sollte man ihnen Geld geben oder unterstützt jeder Euro eine kriminelle Vereinigung? „Man kann schon davon ausgehen, dass die Familienclans das Betteln organisiert betreiben“, sagt Geldermann. „Doch das können wir nicht offiziell bestätigen, es sind nur Vermutungen. Wo das Geld letztlich landet, lässt sich nur schwer verfolgen.“ Beobachtungen der Mitarbeiter haben allerdings gezeigt, dass einige Bettler von Hintermännern in Autos abgeholt werden, das Geld eingesammelt werde. „Das lässt schon auf organisierte Strukturen schließen.“ Dennoch bleibt es nur eine Ahnung. „Und eine Gewissensfrage“, meint Raymund Sandach. „Ob man Geld gibt oder nicht, sollte jeder nach Gefühl entscheiden.“ Schließlich könne man nicht automatisch davon ausgehen, dass hinter jedem Bettler kriminelle Banden stecken.

Bitten um Almosen

Generell sollten Passanten aber Verständnis zeigen, auch wenn das Bitten um Almosen bei manchem vielleicht eher negative Gefühle auslöse, findet Norbert Geldermann. „Schließlich gehören Bettler - genau wie Punker oder Straßenmusiker - zum Stadtbild dazu.“