Essen.

Der langjährige Wirt der Rüttenscheider Kultkneipe Karl-Heinz Ampütte feierte am Wochenende seinen 75. Geburtstag. Jetzt will er noch einmal hoch hinaus.

Früher, da stand er noch selbst hinterm Tresen der wohl berühmtesten Kneipe Essens, die seinen Namen trägt. Servierte Bier, schlichtete die ein oder andere Kneipenschlägerei, plauderte mit Gästen wie Helge Schneider oder David Copperfield. Mittlerweile sieht sich Karl-Heinz Ampütte selbst eher Stammgast in dem gemütlichen Lokal, in dem die Zeit stillstehen zu scheint. Am Freitag ist das Essener Urgestein 75 Jahre alt geworden.

Ganz loslassen kann er noch nicht vom Tresen. „Ich mache hier noch ab und an die Urlaubsvertretung“, erzählt Ampütte. „Zwei bis drei Wochen am Stück, dann reicht es aber auch.“ Sein Sohn Patrick hat mittlerweile seit 15 Jahren die Geschäftsführung. Dennoch: „Manchmal muss ich doch noch dazwischen funken“, sagt er. Denn nicht immer passe ihm das, was sein Sohn so treibe. „Schließlich hängt noch zu viel Herzblut von mir an diesem Laden.“

Die Kneipe ist sein Lebenswerk

Dieses Engagement für die „Ampütte“ ist nachvollziehbar, denn schließlich ist die Kneipe sein Lebenswerk, seit er sie 1970 von seinem Vater übernommen hat. Dabei war das eigentlich gar nicht so vorgesehen. „Eigentlich habe ich meine Ausbildung in der Autobranche gemacht“, erinnert er sich. „Doch dann musste ich mich entscheiden zwischen einer Stelle bei VW mit Aussicht auf sichere Rente und den 600 000 Mark Schulden, die mit der Übernahme der Kneipe meiner Eltern verbunden waren.“ Bei dieser Ausgangslage überrascht es dann doch ein wenig, dass diese Zeilen nicht den 75-jährigen Geburtstag eines Automechanikers würdigen. „Aber das Gebäude war nun einmal Eigentum der Familie“, erläutert Karl-Heinz Ampütte. „Um zu verhindern , dass der Laden unter den Hammer kommt, habe ich in den sauren Apfel gebissen.“

Ampütte in früheren Tagen

Franz und Anita Ampütte führten das Geschäft bis 1966.
Franz und Anita Ampütte führten das Geschäft bis 1966.
Wann dieses Bild entstand, weiß selbst der heutige Chef Patrick Ampütte nicht mehr.
Wann dieses Bild entstand, weiß selbst der heutige Chef Patrick Ampütte nicht mehr.
Der Gastraum etwa um 1940.
Der Gastraum etwa um 1940.
Ein Foto aus dem Jahr 1944.
Ein Foto aus dem Jahr 1944. © WAZ FotoPool
Nach dem Wiederaufbau 1949. Der Aufbau kam erst später hinzu.
Nach dem Wiederaufbau 1949. Der Aufbau kam erst später hinzu.
Anfang 1950: ein Bär in der Ampütte.
Anfang 1950: ein Bär in der Ampütte.
Ende 1960 sah das Gebäude so aus.
Ende 1960 sah das Gebäude so aus.
Eine Stammtischszene Anfang der 60er Jahre.
Eine Stammtischszene Anfang der 60er Jahre.
Eine ähnliche Runde.
Eine ähnliche Runde.
Eine neue Fassade gab es im Jahr 2005. Foto: Oliver Müller
Eine neue Fassade gab es im Jahr 2005. Foto: Oliver Müller © Oliver Müller NRZ
Bei Dreharbeiten 2006 in der Kneipe: Peter Lohmeyer. Foto: Arnold Rennemeyer
Bei Dreharbeiten 2006 in der Kneipe: Peter Lohmeyer. Foto: Arnold Rennemeyer © WAZ
Gemütlichkeit wird groß geschrieben. Foto: Arnold Rennemeyer
Gemütlichkeit wird groß geschrieben. Foto: Arnold Rennemeyer © WAZ
Das Jägerzimmer: der Nichtraucher-Bereich: Foto: Klaus Micke
Das Jägerzimmer: der Nichtraucher-Bereich: Foto: Klaus Micke © WAZ FotoPool
Der heutige Chef: Patrick Ampütte vor der Theke. Foto: Klaus Micke
Der heutige Chef: Patrick Ampütte vor der Theke. Foto: Klaus Micke © WAZ FotoPool
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Damit führte er die Geschäfte des Lokals bereits in der dritten Generation: Sein Großvater Heinrich Ampütte kaufte 1901 das Gebäude und eröffnete die Kneipe unter seinem Namen, 1930 übernahm dessen Sohn Franz die Geschäfte. Und die liefen offenbar nicht immer rosig — auch wenn die mit 110 Jahren wohl älteste bestehende Kneipe der Stadt schon damals bestens besucht war. „Aber das hilft nichts, wenn die Besitzer gerne mit den Gästen ein über den Durst trinken, anstatt sich um die Geschäfte zu kümmern und die Angestellten in die eigene Tasche wirtschaften.“ Ja, Karl-Heinz Ampütte ist kein Freund diplomatischer Worte — auch nicht in Richtung der eigenen Familie. Vielmehr ist er ein Mann der Tat: Er krempelte die Ärmel hoch und brachte die Bücher auf Vordermann. „An der Kneipe an sich musste ich gar nicht viel ändern“, sagt er. „Die Leute rannten uns schon immer die Bude ein.“ Viele Ideen, dem Lokal ein moderneres Äußeres zu verpassen, seien am Widerstand der Gäste gescheitert. „Die Leute wollen die Ampütte so, wie sie sie kennen.“

Dabei ist erstaunlich, dass die Kneipe, so rustikal sie wirkt, auch immer wieder neues, junges Publikum zieht. Gerade viele Leute um die 30 seien in letzter Zeit hinzugekommen. Die Stammgäste nähmen dafür etwas ab „wohl altersbedingt“, lächelt er. Für den anhaltenden Erfolg hat Karl-Heinz Ampütte eine einfache Erklärung: „Das ist halt eine Institution hier.“

„Da brauchte man als Wirt Nerven wie Stahlseile“

Wilde Zeiten - die gab’s vor allem in den 1960er und 1970er Jahren. Täglich bis mindestens 4 Uhr morgens hatte dder Laden auf. Schlägereien waren an der Tagesordnung. „Das brachte der starke Alkoholgenuss halt mit sich, da brauchte man als Wirt Nerven wie Stahlseile“, sagt er. Vor allem zwei Themen brachten die Gäste in Rage: „Fußball und Politik.“ Zeitlose Aufreger, über die auch heute noch gerne lebhaft an der Theke und an den Tischen diskutiert werde — nur eher mit Worten als Fäusten.

Kultstatus hat die Ampütte auch wohl wegen der Küche, die bis spät in der Nacht geöffnet hat. „Wo sonst bekommt nach noch um 3 Uhr nachts ein Schnitzel oder eine Currywurst?“ Berühmt ist das Lokal seit jeher allerdings für die Muschelgerichte. „Früher, als sie vom Kutter kamen, habe ich noch jede einzelne mit der Drahtbürste gereinigt.“

Momentan freut sich der Alt-Chef auf die Karnevalsaktivitäten. „Mein Sohn mag keinen Karneval, der würde da gar nichts Besonderes machen“, schüttelt Karl-Heinz Ampütte den Kopf. Rund gehen müsse es zu dieser Zeit, da mache er auch selbst gerne den Animateur und tanze auf den Tischen. Dass man, um sich solche Einlagen mit 75 Jahren noch erlauben zu können, auch an die Fitness denken muss, versteht sich von selbst. „Ich treibe viel Sport, rudere sehr gerne“, verrät Karl-Heinz Ampütte.

Noch einmal hoch hinaus

Seinen Geburtstag geht er eher ruhig an: „Den feiere ich im kleinen Kreis“, verrät er. Demnächst allerdings will der frischgebackene 75-Jährige noch einmal hoch hinaus: „Ich schenke mir selbst zum Geburtstag einen Rundflug mit der ,Tante Ju’, der Junkers 52“, freut er sich. Seinen Lebenstraum, einen Pilotenschein, konnte er sich nie erfüllen: „Das war schlicht zu teuer“, bedauert er. Aber als Wirt einer Institution wie der Ampütte sollte man sowieso besser fest mit beiden Beinen auf den Boden bleiben.