Essen. .
Die Initiatoren des Alexanderparks auf dem früheren Coca-Cola-Gelände haben mit ungewöhnlichen Umbauten, Leidenschaft und Risikofreude einen Marktplatz der Ideen geschaffen. So entstanden über 400 Arbeitsplätze.
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Eine Mann-große Coca-Cola-Plastikflasche, verstaubte Fanta-Zapfanlagen und ein angerosteter Cola-Straßenverkaufsstand - nur noch wenige Utensilien erinnern in den acht Gebäuden des heutigen Bergerhausener Büro- und Entwickler-Standorts Alexanderpark an die glorreiche Vergangenheit als Europa-Zentrale des Getränke-Weltkonzerns im Alexanderpark.
Doch an der Max-Keith-Straße, benannt nach dem ersten Chef der 1930 in Essen gegründeten Coca-Cola GmbH, hat sich in den sieben Jahren nach Wegzug der Cola-Zentrale von Essen nach Berlin Erstaunliches getan. Mehr als 60 Unternehmen, darunter viele pfiffige Initiatoren aus der Kreativwirtschaft, schufen 400 Arbeitsplätze. Zwei Privatinvestoren aus München und Essen gingen das Wagnis ein - und kauften Ende 2004 das riesige Gelände mit seinen Umbau-Risiken.
Seit gut vierzig Jahren ist das Ruhrgebiet vom Strukturwandel geplagt, seit gut vierzig Jahren bedauern viele, was alles in dieser Zeit weggebrochen ist. Oft wird dabei aber übersehen, wie viel Neues in dieser Region entstanden ist.
Welch ein Wehklagen hob an, als Coca-Cola seine Europa-Zentrale von der Essener Max-Keith-Straße in die Bundeshauptstadt Berlin verlegte. 2003 zog Coca-Cola weg, 300 Menschen arbeiteten dort damals noch. Niemand konnte sich so recht vorstellen, was aus dem 30 000 Quadratmeter großen Gelände mit seinen acht Gebäuden mit Abfüllanlagen, Zuckerspeichern oder Lagerhalle für Konzentrat-Stahlbehälter werden sollte.
Spielwiese für Erfinder
Niemand? Zwei mutige Investoren, einer aus Essen, einer aus München, lockte der Reiz, aus dem von der Weltmarke Coca-Cola seit dem Weltkrieg geprägten Grundstück etwas ganz Besonderes zu machen: Kein stinknormaler langweiliger Gewerbepark mit Hallen und Büros, von denen es in Essen so viele gibt, sondern eine Spielwiese für Erfinder, innovative Produzenten, Grafiker, Fotografen, Werbeleute. Sie investierten eine Millionen-Summe, sie bauten ganze Hallen nach Wünschen Kreativer um - und stießen in eine Marktlücke.
Über 90 Prozent der Fläche sind heute vermietet, es tummeln sich an der Max-Keith-Straße derzeit Bad-Gestalter, Innenbeleuchter, Werbe-Fotografen, Unternehmensberater der renommierten Agentur BDO, ein Hersteller von nach Kundenwünschen designten Popcorn, ein Betreiber eines Boxclubs für Manager, ein 24-Stunden-Fitness-Studio, Sicherheitsleute und Fans der spanischen Tapas-Gerichte.
Alexanderpark heißt diese Ansiedlung ein bisschen kurioser, auf jeden Fall recht fantasievoller Unternehmen nahe der A 52 in Bergerhausen: Jeder Einzelne der 60 Betriebe bringt nicht Massen an Arbeitsplätzen mit, aber insgesamt werkeln, denken und erfinden auf dem Gelände nun über 400 Menschen.
Betreut werden die Mieter von Oliver Rottmann, Geschäftsführer der Argus Immobilienmanagement GmbH, die in Deutschland mehrere Projekte vermögender Familien hütet. Er ist ein Mann der ersten Stunde, sitzt mit seinem neunköpfigen Team in der früheren Coca-Cola-Kantine, in der sogar noch eine alte Getränkeanlage für Fanta, Cola und Bonaqua im Schrank verstaubt.
„Erst waren viele Mietinteressenten skeptisch“
Rottmann führte mögliche Mieter durch die einst unzugänglichen Ecken der Essener Coca-Cola-Welt, die sogar eigene geheime Telefonleitungen besaß: „Hier war mal alles rot, die Türrahmen, die Wände. In den Fluren hing alles voller Coca-Cola-Schilder. Und ein ganzes Zimmer war für Verhandlungen sogar komplett rot gestrichen - da wurde man ja wahnsinnig drin.“
Vieles ist weg, vieles im neuesten Design modernisiert - übrig sind in den Büros aber noch die perfekt eingepassten weißen Einbauschränke von Coca-Cola. Und am heutigen Konferenztisch von Argus Immobilienmanagement wurde einst die Coca-Cola-Wassermarke „Bonaqua“ und die Fanta-Richtung „Fruit“ entwickelt. Auch ein Tagungs- und Kinosaal mit hellen-Eichenholz-Wänden und einer echten Kino-Leinwand ist noch originalgetreu aus den 70er Jahren erhalten: Hier schulte Coca-Cola seine Spitzenkräfte; jetzt können Firmen diesen Saal mieten.
Wenn man mit Rottmann durch die Gänge spaziert, kann er sich noch immer so leidenschaftlich für den speziellen Geist des Getränkekonzerns mit der wohl durchschlagstärksten Werbekampagne der Welt begeistern, dass man ihm abnimmt, wenn er erzählt: „Erst waren viele Mietinteressenten skeptisch, doch dann haben sie beim Rundgang gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergeht - und waren begeistert.“
Die Vision von Rottmann überzeugte, eine „Art Marktplatz zu schaffen voller unterschiedlicher kreativer Menschen“. Diese sollen sich an der Max-Keith-Straße begegnen, reden und Geschäfte untereinander machen. „Das erste halbe Jahr war es ungeheuer schwer, doch als wir uns entschieden, selbst hierhin zu ziehen, den ersten Mieter mit dem IT-Dienstleister Ruhr-Computer hatten und die ersten umgebauten Räume zeigen konnten, dann ging es Schritt für Schritt weiter.“
„Nichts ist unmöglich“
Zum Erfolg gehört wohl unbedingt auch ein Bauleiter wie Mario Karl dazu, der noch die kuriosesten Wünsche der Mieter erfüllte. „Nichts ist unmöglich“, ist Karls Motto, der auch ein paar Eimer flüssigen Asphalt in die frühere Coca-Cola-Vorstandsetage schleppte - mit echtem Eisen-Gully dazu. Die durch Live-Events bekannt gewordene Essener Werbeagentur „TAS Emotional Marketing“ wollte den Boden vor den Chef-Büros als normalen Straßenbelag gestalten: TAS-Gründer Thomas Siepmann richtete etwa das Still-Leben-Projekt auf der A 40 aus oder die 11-Freunde-Public-Viewing-Veranstaltungen zur WM. Der Straßenbelag vor den Chefzimmern sollte demonstrieren, wie nah man den Menschen auf der Straße mit seinen Werbeideen kommt; wie man Kreatives von der Straße verarbeitet.
Was der Alexanderpark bewirken kann, zeigt vielleicht am besten das Projekt „Planbar“ in der alten Konzentrat-Halle: Erst bei der Suche nach aufregenden Mieträumen trafen sich die vier Planbar-Einrichtungsspezialisten: Ein Innenraum-Gestalter wie der Architekt Sven Bönniger, ein Designer-Küchen-Verkäufer wie Schenke, der für exklusive Büromöbel bekannte Objekteinrichter Beck und Lichtplaner Heinz Ohlies.
„Wir fanden die Kombination aus alter Industrie-Architektur und hochwertigem Design einfach toll - und Laufkundschaft benötigen wir nicht“, erklärt Bönninger den Grund für den Einzug in den Alexanderpark. Die vier Einrichter ergänzten sich optimal: Wer eine neue Küche kaufe, benötige oft auch neues Licht, neue Möbel - oder überlege die Gestaltung seines Bades. Und Event-Kultur gibt es oben drauf: Die Versuchsküche könne gemietet werden - so kochte hier schon Essens TV-Koch Nelson Müller live.