Essen.

Beim Streit um die Bebauung eines Ackers in Heidhausen werden die Fliehkräfte in Essen deutlich. Die Schlichtung soll spätestens im Januar starten. Und einen Schlichter gibt es auch bereits.

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Von DerWesten

Der Rat hat es beschlossen, und die Stadtverwaltung folgt, allerdings zähneknirschend: Das im Baurecht nicht vorgesehene Moderationsverfahren rund um die Bebauung der Grünen Harfe in Heidhausen soll spätestens im Januar in Gang kommen. Klar ist mittlerweile auch: Stadtdirektor Hans-Jürgen Best ist zwar „Haupt-Moderator“, will es aber nicht alleine mit der konfliktgeladenen Situation aufnehmen, sondern hat sich die Dienste eines externen Experten gesichert: Der freiberufliche Stadtplaner Michael Happe, der praktischerweise in Werden sein Büro hat, soll im Prozess die Rolle als neutraler Mann einnehmen.

Ein Blick zurück: Seit Jahrzehnten schon sieht der Flächennutzungsplan für den von Wohnhäusern eingerahmten Acker eine Bebauung mit weiteren Einfamilienhäusern vor, und selbst die Grünen gaben dazu ihren Segen. Dagegen steht eine Bürgerinitiative, in der viele Anwohner organisiert sind, aber auch Stadtteilpolitiker aus fast allen Parteien. Sie wollen das nun erforderliche Bebauungsplanverfahren verhindern und fanden vor allem bei der SPD-Ratsfraktion Gehör.

„Selbstverständlich sind wir sauer über das Vorgehen der Stadt“

Grundstückseigentümer Thyssen-Krupp hingegen beruft sich auf informelle Zusagen, unter anderem von Oberbürgermeister Reinhard Paß, der diese allerdings bestreitet. Die erheblichen Unterschiede in der Wahrnehmung führten zu einer heftigen und keineswegs behobenen atmosphärischen Störung zwischen dem frisch nach Essen gekommenen Unternehmen und der Stadtspitze.

Paß spielte in der vorletzten Ratssitzung den Konflikt in einer kryptischen „persönlichen Erklärung“ herunter, ließ die WAZ gar wissen, der Konflikt sei überhaupt nicht existent. Doch gehören zu einer solchen Sicht natürlich zwei, und aus der Thyssen-Krupp-Zentrale hört man nach wie vor völlig anderes. „Selbstverständlich sind wir sauer über das Vorgehen der Stadt, zumal wir nichts Unrechtes fordern, sondern da bauen wollen, wo es der Flächennutzungsplan seit langem vorsieht“, sagt ein Spitzenmanager.

Ein „nicht existenter“ Konflikt klingt irgendwie anders. Thyssen-Krupp ist denn auch nur notgedrungen bereit, an der Moderation teilzunehmen. „Wir halten die ohnehin vorgesehene Bürgerbeteiligung für völlig ausreichend“, heißt es - wiederum inoffiziell - aus dem Unternehmen.

Exakt so sieht es auch Stadtdirektor Best, der von einem Präzedenzfall mit Signalwirkung nichts wissen will: „Wenn das Schule machen würde, dann liefe das auf eine Abschaffung der zentralen Planung in Essen hinaus“, warnt der für Stadtplanung Zuständige. „Schon jetzt sind die Fliehkräfte in manchen Stadtteilen besorgniserregend.“ Das, obwohl Best sich zugutehält, dass die Verwaltung sehr wohl die Bürger beteilige, und das mitunter auch informell. „Wenn wir sehen, da möchte eine Gruppe mitreden, dann machen wir das oft möglich.“

An der Grünen Harfe, jenem Feld in Heidhausen, liege die Sache allerdings ohnehin etwas anders. Best spricht von einem Konflikt zwischen „Zentrum und Stadtteil“, zwischen übergeordneten Interessen und manchmal allzu kleinen Karos. Die meisten Parteien im Rat sind denn auch Getriebene ihrer Stadtteil-Gliederungen in Werden/Heidhausen, diese wiederum sind Getriebene von Anwohnern, deren kämpferische Attitüde erheblich ist.

Vorbild Stuttgart?

Offener Streit herrscht etwa bei der CDU, die sich im Rat klar für, im Stadtteil aber zu einem großen Teil gegen die Bebauung ausgesprochen hat. Die Essener Grünen tun sich schwer, der Verhinderungsenergie ihrer Werdener Parteifreunde zu widersprechen, ähnlich sieht es beim Bürgerbündnis EBB aus. Und die SPD-Ratsfraktion, so heißt es, sei in ihrer Mehrheit für den Bau, fühle sich wegen der Festlegungen einiger Fraktionsmitglieder und der Genossen vor Ort aber anders gebunden.

So müssen - oder dürfen - sich nun jedenfalls alle am Runden Tisch versammeln: Vertreter des Rates, der Bezirksvertretung, der Bürgerinitiativen und des Grundstückseigentümers. Ein Thema dürfte beispielsweise sein, ob die späteren Bewohner der maximal 140 Einfamilienhäuser ein so großes Mehr an Autoverkehr erzeugen, dass dies die Werdener Ortsdurchfahrt nicht mehr verkraftet. Aber wie definiert man die unterstellte Überlastung?

Aufmerksamkeit bekommt das Kräftemessen auch durch die Ereignisse um den Bahnhofsumbau in Stuttgart. Obwohl die Projekte natürlich nicht vergleichbar sind, gibt es einen kleinen gemeinsamen Nenner: Immer öfter machen Bürger klar, was sie von den Regularien der Stadtplanung halten: nichts. Was Heiner Geißler in Stuttgart im Großen versuchte, nämlich eine Schlichtung außerhalb des Baurechts, soll in Heidhausen im Kleinen gelingen.

Die Bürgerinitiative hätte gerne, dass die Moderationsrunden öffentlich sind, was aus ihrer Sicht verständlich ist. Erfahrungsgemäß nützt Öffentlichkeit immer den Verhinderern eines Projekts, die in aller Regel mehr und kämpferisch gestimmtere Menschen mobilisieren können als die Befürworter. Auch Stadtdirektor Hans-Jürgen Best weiß das - und ahnt, dass eine Konflikt-Moderation schwieriger würde, wenn Projekt-Gegner die Kulisse bilden. „Ich glaube, das sollten wir lassen.“