Seit fast zehn Jahren wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen die Bebauung einer Ackerfläche in Heidhausen. Nun sollen Befürworter und Gegner an einen Tisch.
Eine frische Brise weht an diesem Novembermorgen über die Grüne Harfe in Heidhausen. Eine Spaziergängerin, die ihren Hund ausführt, zieht den Reißverschluss ihrer Jacke noch etwas höher und läuft schnellen Schrittes weiter. Für die Schönheit dieser Gegend, die sich als sanfter Hügel dahinzieht, hat die junge Frau kaum einen Blick übrig. Aber was heißt hier Gegend! „Das ist eine bäuerliche Kulturlandschaft“, sagt Ludger Hicking und weist hinüber zu einem Bauernhof, der sich wenige hundert Meter entfernt hinter Bäumen duckt. Es ist der Hof Barkhofen, der ehemalige Oberhof der freien Reichsabtei Werden. Argumentativ setzt Hicking einen ersten Pflock: Es ist nicht irgendein unbedeutender Acker, der hier bebaut werden soll.
Ludger Hicking ist Sprecher einer Bürgerinitiative; im zehnten Jahr setzt sie sich dafür ein, dass die Grüne Harfe bleibt, was sie bis heute ist, ein Acker eben. Damals setzten CDU und FDP die landwirtschaftliche Nutzfläche auf eine Liste potenzieller Wohnbaugebiete. Die folgende schwarz-grüne Mehrheit im Rat beließ es dabei. Damit nicht genug: Auch der neue Regionale Flächennutzungsplan weist die Grüne Harfe als Wohnbaufläche aus. Auf Beschluss des Stadtrates sollen sich nun alle Beteiligten in einem Arbeitskreis der strittigen Bebauungsfrage annehmen. Hicking begrüßt dies ausdrücklich. Es sei wichtig, dass die Betrachtung der Grünen Harfe „nicht am Bauzaun endet“.
Die Argumente, die Hicking und seine Mitstreiter vorbringen, unterscheiden sich nicht wesentlich von jenen anderer Initiativen, die gegen Bebauungsprojekte mobil machen: Es gehe ihnen um den Schutz der Natur und des Binnenklimas, um die Sorge vor noch mehr Verkehr auf den Straßen, und es gehe darum, neue Antworten zu finden auf die Herausforderungen, die sich durch die sinkende Bevölkerung für die Stadtentwicklung stellen. Bauen auf der grünen Wiese sei nicht die richtige Antwort.
In der Tat, das Verkehrsproblem ist ein Werden ein drängendes. Die Brückstraße im Ortskern ist ein völlig überlastetes Nadelöhr. Jedes Auto sei ein Auto zu viel. Mit diesem Argument aber wäre gar keine Bebauung in Heidhausen mehr möglich. Oder? Heribert Rüsing, ehemaliger Vorstandssprecher der Grünen, der sein Amt wegen der Haltung seiner Ratsfraktion zur Grünen Harfe niedergelegt hatte, winkt ab: Eine wichtige Frischluftschneise sei die Freifläche.
An deren Rande stehen Einfamilienhäuser aus den 50er Jahren, aus den 70ern, einige jüngeren Datums. Geht es am Ende doch darum, dass sich Anwohner die schöne Aussicht nicht verbauen lassen wollen? 3000 Unterschriften habe die Bürgerinitiative seinerzeit innerhalb von nur vier Tagen gegen eine Bebauung gesammelt, sagt Ludger Hicking. „Und 3000 Anwohner kriegen Sie an der Grünen Harfe nicht zusammen.“
Glaubwürdige Politik
Der Bürgerinitiative gehe es vielmehr um demokratische Mitbestimmung, sagt Hicking und zitiert Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Betroffene werden zu Beteiligten. Es gehe auch um Glaubwürdigkeit der Politik. Habe Oberbürgermeister Reinhard Paß der Initiative doch vor der Wahl in die Hand versprochen, er werde sich nicht für die Aufstellung eines Bebauungsplan einsetzen.
Nun ist es nicht irgendwer, der an der Grünen Harfe bauen will. Es ist Thyssen-Krupp, seit einer gefühlten Ewigkeit Eigentümer der Fläche. Etwa 150 Eigenheime will der Konzern dort bauen.
Der Diskussion über das Für und Wider verleiht der Name des Bauherrn fast irrationale Züge. Verheißen die Rückkehr des Weltkonzerns nach Essen und die neue Zentrale in Altendorf der Stadt nicht neue Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung? Und hat die Kruppstiftung der Stadt nicht das neue Folkwang-Museum geschenkt? Heribert Rüsing verzieht das Gesicht. „Ich betrachte das als Entschädigung.“ Während Befürworter einer Bebauung das Engagement Thyssen-Krupps für die Stadt als Argumentationshilfe dient, führen Gegner die Vergangenheit des kruppschen Konzernteils als Kanonenschmiede ins Feld. Plötzlich dreht es sich nicht mehr um Verkehr oder Kaltluftschneisen, sondern um Ideologie. Andererseits: Die Rückkehr nach Essen dürfte Thyssen-Krupp nach wirtschaftlichen Erwägungen getroffen haben. Die Entscheider mögen sich einmal fragen, zitiert Rüsing eine Leserbriefschreiberin, wie sie entscheiden würden, hieße der Bauherr nicht Thyssen-Krupp, sondern Müller oder Meier. Eine Frage, die sich vielleicht alle Beteiligten stellen sollten.