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Mit ihrer Firma „You Consulting“ helfen Horst und André Pabst Migranten beim Start in die Selbstständigkeit. Dabei lernen auch sie dazu - etwa aus wenig viel zu machen. Das Klischee vom ewigen Dönerimbiss können sie hingegen nicht mehr hören.
Als Bankbetriebswirt hatte Horst Pabst einen sicheren Job. Doch mit Umstrukturierung der Sparkasse Essen mangelte es ihm an beruflichen Perspektiven. „Die Neuorganisation war für die Sparkasse der richtige Weg.“ Doch wollte der damals 50-Jährige diesen nicht mitgehen. „Die Kinder waren groß, ich hatte genug auf dem Rentenkonto und ich hatte schon länger vor, in die Wirtschaft zu gehen.“ Der heute 57-Jährige kündigte also.
Nun muss man sagen: Horst Pabst ist keiner, der für die vage Aussicht auf mehr Geld den Job hinwarf, sondern ein Mann mit klaren Grundsätzen und starkem sozialem Engagement. In der Ev. Gemeinde Borbeck-Vogelheim engagierte er sich über Jahre für Asylbewerber, half beim Aufbau eines Selbsthilfevereins von Angolanern. Es kamen andere Nationen hinzu, Menschen aus Togo, Sierra Leone, dem Kongo.
Selbsthilfeverein wächst zum sozialen Netzwerk
„Als damals die Asylbewerber-Unterkünfte aufgelöst wurden, hat unsere Gemeinde geholfen, Wohnungen zu suchen.“ Anwaltskontakte vermittelte Pabst, kämpfte sich durch einen Berg bürokratischer Korrespondenz mit Arbeitsagentur, Ausländerbehörde, Sprachkursanbietern. Daraus entwuchs ein Sozialbüro. „Das ging so weit, dass wir Menschen, die am nächsten Tag abgeschoben worden wären, in der Nacht zum Bahnhof gebracht und in den nächsten Zug gesetzt haben.“
So konnte Pabst beim Schritt in die Selbstständigkeit auf das Wissen aus seiner Bankberatertätigkeit und ein umfassendes soziales Netzwerk zurückgreifen. Doch das allein sollte nicht reichen. „Wir müssen uns bei jeder Beratung in die Branche genau so einarbeiten wie die Gründer auch.“ Zwar kann Pabst Bilanzen lesen und weiß manches über kaufmännisches Recht, kommt aber ein türkischer Friseur, oder ein Klient, der einen Dönerladen eröffnen will, betreten auch Horst Pabst und sein Sohn René, der nach dem Studium von Kommunikationswissenschaft und Marketing in die Firma eintrat, Neuland.
Neuland für die Gründer-Berater
Praktisch also beginnen die Berater immer bei Null: Da kommt einer, der fünf gut gehende Dönerläden in der gleichen Straße kennt und die Idee hat: Da könnte auch ein sechster prima laufen. „Das ist, wenn man die Mentalität unserer Klienten kennt, sehr nachvollziehbar. Auf einem Basar ist es ja auch so, dass in einer Gasse Gewürze gehandelt werden und in der nächsten Metallhandwerk“, sagt Horst Pabst. So könnte also die Altendorfer Straße als Dönergasse durchgehen. Würde Horst Pabst es sich leicht machen, ein Ladenlokal finden, einen Geschäftsplan aufstellen und den Gründer ins Bodenlose gründen lassen.
Neue Käuferschichten
Weit gefehlt. Die Berater machen sich auf die Suche nach optimalen Standorten, werben um Einsicht. „Wir versuchen unseren Klienten zu erklären, dass sie nicht nur in ihrer Community bleiben können, sondern neue Käuferschichten erschließen müssen. „Die Mehrheitsgesellschaft“, kein schönes Wort, befindet Pabst, „aber das sind die deutschen Kunden nun einmal, die darf man nicht vergessen.“
Das Klischee vom ewigen Dönerimbiss mag auch René Pabst nicht mehr hören. „Der Trend geht weg von der Imbiss-Bude hin zum Restaurant.“ Klar sei eine Entwicklung auszumachen – die allerdings Zeit brauche: „Würden wir heute ins Ausland gehen und dort einen Laden eröffnen, würden wir sicherlich ein Geschäft nach deutschem Vorbild gründen, weil wir hier gelernt haben, dass Handel so funktioniert, und uns erst nach und nach an die Gegebenheiten vor Ort anpassen.“
Potenzial erkennen
Mit originellen, unkonventionellen Ideen versucht das Duo Pabst am Markt zu punkten: „Wir stehen praktisch immer vor der Herausforderung, Klienten zu beraten, die wenig Geld haben. Dafür bringen sie aber ein anderes Potenzial mit.“ Der Reichtum könne in der Zweisprachigkeit liegen, in einer Ausbildung, die in Deutschland nicht anerkannt wird, „da helfen wir dann mit Kontakten, damit die Leute zunächst ihre Bildungsabschlüsse nachholen können.“ Der Arzt, der Taxi fährt, die Kindergärtnerin, die in Deutschland nur als Putzfrau zu vermitteln ist.
Bislang hob You Consulting 30 Betriebe aus der Taufe. „In der Regel schließen wir Verträge über eine Jahr“, sagt der ehemalige Bankberater. Vor, während und nach der Gründungsphase, sei guter Rat gefragt. Dennoch: An die ehemaligen Bezüge reichen die Einkünfte noch nicht heran.
Mentalität der Klienten verstehen
Eine Migranten-Mentalität, das sagt Pabst mit einem Schmunzeln, habe man sich während der Selbstständigkeit bei den Klienten abgeguckt. „Man lernt, mit wenig auszukommen, und aus wenig eine Menge zu machen. Da kauft keiner beim teuren Großhändler, sondern es wird auf den Cent genau verglichen. Viele kaufen beim Discounter ein.“
Hinzu komme der Rückhalt aus den Familien: „Bei der Bank bekommen die meisten Migranten keine Kredite, weil sie keine Sicherheiten haben. Das Geld, das sie mitbringen, brauchen sie für die Gründung. Da springt dann finanziell auch schon mal die Familie ein. Weitere Verwandte“, sagt Horst Pabst, „packen mit an und helfen so, die Personalkosten gering zu halten.“
Migranten wagen häufiger den Schritt in die Selbstständigkeit
„Drei Mal mehr Gründer gibt es unter Migranten als unter deutschen Arbeitssuchenden.“ Meist, erklärt der Berater, resultiere dies aus der Not, „weil Ausländer bei der Jobsuche nicht so gute Chancen haben.“ Dass seine Klienten nun auch wesentlich häufiger scheitern als deutsche Gründer, kann Pabst nicht bestätigen. Bislang gab es drei Firmen, denen er zur Schließung riet, „aber das waren Geschäfte, die wir in der Gründungsphase gar nicht begleitet haben. Die haben uns erst konsultiert, als es schon zu spät war, um noch etwas zu retten.“
Nicht selten setzt die Beratung der Pabsts bei den Grundlagen an. Wieso etwa ist Bürokratie wichtig und kann von Nutzen sein? „In ihren Herkunftsländern haben viele gelernt, dass Behörden schlecht sind, dass es Willkür und Korruption gibt und man sie am Besten umgeht. Hier allerdings ist Bürokratie eine höchst demokratische Angelegenheit – und für den Einzelnen von Nutzen.“ Von jetzt auf gleich ist dieses Verständnis nicht da.
Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit
Wie gut diese Gegenseitigkeit aus Verständnis, Kompetenz, Annäherung funktionieren kann, davon erzählen kleine Dank-Botschaften auf Pabsts Schreibtisch. Eine Yasminkette – Dank einer thailändischen Gründerin – baumelt von einer Lampe. Ein Messing-Schild steht vor Pabst. Dies eins seiner ersten Geschenke aus Zeiten als Gründungsberater bei der Sparkasse, das auf charmante Weise Sprachbarriere und Tätigkeit in Worte fasst: „Hier bedientsie Heer Pabst“, steht darauf. So war es – so soll es Ansporn bleiben.